Die allmorgendliche Urlaubsroutine ändert sich nicht. Sie variiert vielleicht. Aber am Ende verläuft die erste Tageshälfte synchron zu den neun bisherigen. Einziger Unterschied heute: Am Tisch sitzt ein anderes Kind (Sorry, Jugendliche!) und meine Brötchentour verläuft heute durch den Yachthafen. Im Speenkruidwei und auf der Jikke haben alle gut geschlafen. Um die Logistik und die Völkerwanderung so gering wie möglich zu halten, findet das Frühstück voneinander getrennt statt. Ich bringe lediglich Brötchen und Baguette ans Boot und transportiere auf dem Weg schon mal Clemens‘ Bettzeug, Teddy und Klamotten mit dem Fahrrad zurück zum Haus.
Wir haben gestern unter Federführung von Captain Manu entschlossen, Emil auf den heutigen Segeltörn mitzunehmen. Das bedarf zwar ein wenig mehr Vorbereitung, sollte aber gehen. Und wenn nicht, dann gibt es ausreichend Möglichkeiten, einen Zwischenhalt anzufahren und Emil wieder an Land zu nehmen. Das heutige Ziel ist Yerseke, ein Fischerort am südlichen Ufer der Oosterschelde. Dafür geht es von Kortgene aus zur östlich von dort gelegenen Zandkreek-Schleuse, die das Veerse Meer von der Oosterschelde trennt.
Aber erstmal Frühstücken und Sachen packen. Gegen 11:00 Uhr fahren wir mit unserem Bus an den Hafen, denn neben der Besatzung und dem üblichen Handgepäck und Reha-Buggy müssen wir auch noch Emils Lagerungsinsel mitnehmen. Auf dem Boot gibt es zwar ausreichend Sitzgelegenheiten, aber leider keine adäquate für Emil. Und somit bauen wir für ihn in ein krankenkassenabrechnungsfähiges Inklusionssegelboot inkl. Pflegekräfte. Da es nun aber schon deutlich enger und umständlicher an Bord ist, bleiben Kathi und ich an Land und machen uns dort einen schönen Tag.
Während die restliche Mannschaft die Schleuse und anschließend via Kattendijke und Wermeldinge Yerseke ansteuert, fahren Kathi und ich erstmal zurück zum Haus und trinken einen Kaffee und fahren anschließend zur Schleuse um unseren Leuten nochmal zuzuwinken. Es fahren deutlich mehr Boote hinaus in das Mündungsdelta von Schelde, Rhein und Maas als Boote den Weg auf‘s Veerse Meer suchen. Das kann vielleicht auch daran liegen, dass das Wetter relativ ruhig ist und der segelrelevante Wind auf dem Wasser draußen einfach stärker und konstanter weht.
Nach dem die Boote in der Schleuse verschwunden sind und wir nur noch die Spitzen derer Masten erkennen können, gehen wir zurück zum abseits geparkten Auto und nehmen selber Kurs Richtung Deltawerk, dem Sturmflutwehr- und Deichekomplex. Wir klettern auf den Aussichtsturm „Plompe Toren“ der bereits vor 600 Jahren aus Ziegelsteinen gebaut wurde und eine Wahnsinnssicht über die Osterschelde bietet.
Weiter geht es Richtung Zierikzee, wo wir an der Hafeneinfahrt parken und den restlichen Kilometer an der selbigen zu Fuß ins Städtchen gehen. Auch dieser Ort bietet, wie so viele andere Orte in Zeeland, ein buntes Potpourrie aus kleinen Läden, Straßencafés, historischen Bauwerken und kleinen Sträßchen und Gässchen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort der Einkehr um eine Kleinigkeit zu essen und noch einen Kaffee zu trinken, erhalten wir schon einen Anruf, dass die restliche Crew nach einem ordentlichen Törn bereits Yerseke ansteuert. Wir lassen das Kaffeekränzchen also sein und gehen zurück an den Dorfrand. Wir fahren weiter über die imposante Zeelandbrücke quer durch das malerische Zeeland vorbei an Goes Richtung Yerseke. Dort finden wir nach kurzer Suche auch einen Behindertenparkplatz am Hafen und kurze Zeit später auch Manu und damit die Jikke inklusive Besatzung. Deren ereignisreiches Anlegemanöver wird nochmals mit allen Details nacherzählt und wir gehen mit Kaffee und einem kühlen Bier zum gemütlichen Teil des Nachmittags über. Manus Plan, uns alle zum Austernessen zu überreden, funktioniert mangels fehlender Begeisterung leider nicht und so erbarmt sich letztlich Carina ihrer und begleitet ihn in eins der reichlich vorhandenen Spezialrestaurants. Da Yerseke vor allem durch eine noch aktive Fischerei geprägt ist, ist es generell nicht einfach, ein Etablissement zu finden, wo es noch anderes als Fisch gibt.
12 Austern und 2 Gläser Wein später, begegne ich den beiden auf dem Rückweg wieder, als ich mit Emil eine kleine Runde durch den Hafen gehe. Er ist seit der Ankunft sehr brav und sitzt entweder auf seiner (Aus-)Lagerungsinsel oder im Reha-Buggy auf dem Steg vor dem Boot. Man könnte meinen, er summt die ganze Zeit den alten Otis Redding Klassiker „Sitting on the dock of the bay“. Auch er genießt die Situation. Das war, nachdem die Schleuse verlassen wurde, wohl nicht der Fall, denn es quälte ihn „etwas“. Nachdem dieses „etwas“ „durch“ war und er auch gegessen hatte, besserte sich der Allgemeinzustand merklich. Am frühen Abend gehen wir in die bootsnahe Brasserie `t Kaaigat und bestellen Fisch und Hummer und Gambas und Bitterballen und Pommes, dass es nur so kracht. Und weil Wein und Cola nicht reichen, gibt es zum Schluss auch noch Desserts und eine Auswahl der Kaffeekarte. Wir lassen es uns so richtig gut gehen und wanken satt und zufrieden nach dem letzten Genever gegen neun Uhr an den Hafendeich für gefühlte eintausend Gruppenfotos.
Hinter uns liegt ein wunderschönes Wochenende mit unglaublich vielen und schönen Eindrücken und Momenten. Hoffentlich bleiben die Erinnerungen noch lange daran erhalten. Ansonsten können wir sie hier nochmal nachlesen oder uns vorlesen lassen. Morgen beginnt eine neue Woche und damit auch irgendwie die letzten Tage für uns hier. Wir schauen mal, was diese uns so bringen.
P.S. In diesem und einem vorhergehenden Beitrag spreche ich von den Frohsons. Dabei handelt es sich nicht um einen Schreibfehler (auf die ich gerne hingewiesen werden möchte) sondern um ein Kunstwort bestehend aus den Familiennamen Frohnhofen und Couson, unseren lieben Freunden aus Mönchengladbach.