Tag 17 – Sonntag, 20.08.23 – Auf Umwegen

Schwedisches Kartoffelgericht. Info an mich.
Wir sind -wie zu erwarten- alle früh wach, duschen, packen und gehen frühstücken. Um 09:30 Uhr haben wir alles im Bus verstaut und starten von Bad Malente aus Richtung Heimat. Es soll im Nachhinein doch noch ein langer Tag werden.
Zunächst führt uns die Fahrt über ewig lange, aber sehr schöne Landstraßen der Holstein‘schen Schweiz Richtung Autobahn A20 Richtung Hamburg, welche wir aber nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen, weil sich vor uns Stau gebildet hat. Von dort führt uns unser Navi bis Lüneburg wieder über schöne Landstraßen. Wenn man ohne Zeitdruck unterwegs ist, sicherlich die bessere Art zu reisen. Nach dreieinhalb Stunden Fahrtzeit kommen wir in Hermannsburg in der Südheide an und besuchen Familie Lange, bzw. das, was davon noch übrig ist. Also Björn, Bendix, Lina und Mara. Der Rest der Familien Lange und Peters sind unterwegs. Die besuchen wir dann beim nächsten Mal. Mehrere leckere Kaffee und Hausbesichtigung weiter machen wir uns gegen halb vier wieder auf den Weg. Es gibt Parallelen zwischen Hermannsburg und Hamm: Von beiden aus erlebt man zunächst jede Menge Umgebung, bevor man eine Autobahn erreicht. Allerdings ist das Umland mit all seinen hübschen Ziegelhöfen dort so schön, dass man auch noch länger im Sonntagsmodus dort rumcruisen könnte. Nicht lange auf der Autobahn warten, auch schon die nächsten Staus auf uns, die wir wieder versuchen zu umfahren. Bei Schwerte machen wir kurz vor der einsetzenden Dämmerung noch Halt bei McDonalds, bevor es dann auf die letzte Etappe mit Besichtigung der Lüdenscheider Innenstadt nach Hause geht. Um 22:41 Uhr erreichen wir Hamm. Emil weiß sofort, was Sache ist und freut sich ganz offensichtlich einen Ast ab. Der Zustand hält auch noch an, als er in seinem eigenen Bett zum Liegen kommt. Er hat, trotz des langen Tages und der vielen Sitzerei nicht einmal gemeckert. Auch die beiden anderen haben die ganze Fahrerei schon mit der Hintour mit Bravour gemeistert. Wir packen noch das Nötigste aus, schmeißen die erste Waschmaschine an und lassen den Tag und den Urlaub bei einer guten und kalten Flasche Wein vom Aldi sacken. Während Carina schon auf dem Sofa leise Ihr Abendlied schnurrt, schreibe ich noch die paar Zeilen auf. Kurz vor eins ist dann aber auch bei mir die Luft raus und wir fallen müde und glücklich in unsere eigenen Betten.
Mir stellt sich gerade noch die Frage, ob es eines Resümees der letzten zwei Wochen bedarf. Aber ich beantworte das jetzt mal mit „Nein!“. Die einzelnen Tage, Erlebnisse, Erkenntnisse und Begegnungen sind ausreichend beschrieben. Ich bedanke mich recht herzlich bei meiner Leserschaft und eurem positiven Feedback, welches nicht zuletzt auch ein Ansporn war, dran zu bleiben. In wenigen Wochen geht es noch für ein Wochenende zum Segeln nach Holland. Vielleicht sind dann auch nochmal ein paar Zeilen drin.
Macht‘s gut und bleibt gesund!

Tag 16 – Samstag, 41.09.35 – Ein Wechselbad der Temperaturgefühle

Der letzte oder vorletzte Beitrag wird in Unterhose geschrieben. Nee, keine Peep-Show oder so. Aber es ist so schwül in Bad Malente, dass ich meinen Schlafanzug postwendend wieder abgelegt habe. Ich sitze in unserem Viererzimmer, welches jetzt durch uns Geislers ein Fünferzimmer ist, in einer Jugendherberge und es fällt mir auf, dass es im Oktober 20 Jahre her sind, dass ich das letzte Mal in einer solchen Einrichtung genächtigt habe. Damals am Rursee zu den Aachener Zeiten. Es war ein Tutorwochenende und wild. Naja… lange her. Für die Zukunft werden wir uns Jugendherbergen als ernsthafte Aufenthaltsmöglichkeit für eine fünfköpfige Familie merken.
Klar, is‘ nich‘ Hotel.
Frühstücksbuffet ist nicht so üppig und exklusiv. Man muss die Betten selber be- und abziehen und den Raum besenrein verlassen. Aber dafür haben wir auch ein behindertengerechtes Zimmer inkl. eigenem Badezimmer mit wirklich großer Dusche. Und das Erlebnis, mit allen schnarchenden Familienmitgliedern die Nacht gemeinsam zu erleben. Braucht man nicht immer, aber für heute ist es echt schön.
Wir haben am heutigen Morgen unsere temporäre Heimat Drag um halb zehn verlassen. Hinter uns liegen zwei wirklich tolle Wochen und vor uns acht Stunden Reisezeit. Die Kinder inkl. Emil machen das wirklich toll mit. Wobei Reisezeit ja nicht komplett Sitzzeit ist. Wir haben ja auch noch die Fähre, die eine wirklich nette Abwechslung ist. An Bord setzen wir unsere Vouchers in Kaffee und Kakao um, füttern Emil und lassen uns über Deck nochmal das letzte Mal die Ostseeluft um die Nase wehen. Auf unserer Fahrt durchkreuzen wir übrigens noch so ziemlich alle möglichen Wetterzonen. Mit usseligem Wetter zum Abschied in Drag, Sonne auf der Öresundbrücke, tiefstliegenden Wolken im Süden Dänemarks, und Sonne back- sowie Regenwolken steuerbords auf der Fähre. Tropisches Wetter in Bad Malente. Ok… Niederschläge, vor allem welche unter 0°C, waren nicht dabei.
Rosita und Roger verabschieden wir herzlich und überlassen ihnen noch restliche Lebensmittel, die, sie wegzuschmeißen, zu schade gewesen wäre. Und nochmals wird der Wunsch ausgesprochen sie nächstes Jahr nochmal zu besuchen. Ein warmes Gefühl, welches uns auf der Fahrt aus Drag raus noch begleitet. Erst viel zu spät fällt uns auf, dass wir außer Adresse und Vornamen nichts haben. Auch kein Bild. Und wenn wir Ihnen eine Grußkarte schicken sollten, dann sollten wir es so planen, dass diese noch vor Ende September ankommt. Ansonsten wird sie auch erst im nächsten Mai nach der Rückkehr aus Stockholm gelesen. Oder ein Nachbar aus Drag sendet sie hinterher. Der, der es nicht für nötig hält, sein Haus abzuschließen (bewusst, nicht vergessen!), während er für ein halbes Jahr sich auf Island aufhält. Das nenne ich mal bewundernswertes Urvertrauen.
Thematisch versprungen. Also Bad Malente. Auf der Suche nach einem Abendbrot finden wir Platz in einem Grill/Bistro, dem „Ollen Kotten“, essen Garnelen und Burger und Grillteller. Sehr lecker, wenn auch aufgrund der Frequentierung mit einer langen Wartezeit von fast einer Stunde verbunden.
Um 22:00 Uhr liegen wir alle im Bett. Pauline und Clemens belachen sich noch über irgendeinen Unsinn, während wir versuchen via der Tonie Box und Lindbergh, der fliegenden Maus, in den Schlaf zu finden. Wir haben noch nicht final geklärt, ob wir morgen noch verlängern, auch wenn die Vorzeichen eher auf „Heimfahrt“ stehen.
Aber erstmal die Hitzenacht überstehen.
Dann sehen wir weiter.

Tag 15 – Freitag, 18.08.23 – Whitney tanzt Macarena

Der Tag ist rum, als ich diese Zeilen hier schreibe. Es ist mittlerweile viertel vor zehn am Abend. Von draußen dringt Whitney Houston mit „Dance with somebody“ durch die Anderthalbfachverglasung. Die Nachbarn haben heute bei Windstärke 5-7 (geschätzt) auf dem schon zuvor beschriebenen Nachbarssteg geheiratet. Am Ende der Zeremonie hatten auf jeden Fall alle Gäste die gleiche nach hinten gestylte Frisur. Männlein wie auch Weiblein. Seit anderthalb Stunden hat der DJ übernommen und gut aufgedreht. Die Musik ist ordentlich gewählt. Nee… doch nicht. Gerade läuft Macarena. Nachdem wir jetzt alles gepackt haben und der Puls kurzzeitig oben war (Erläuterung s. unten), könnten Carina und ich noch ein Bier gebrauchen. Da unsere Vorräte mittlerweile so gut wie aufgebraucht sind, steht die Idee im Raume uns kurzerhand bei den Nachbarn „reinzusneaken“. Aber da Abendkleid und Anzug bereits verstaut sind und wir uns in unserer Tourikleidung nicht trauen (wir würden ja auffallen, mit Anzug und Abendkleid aber nicht), bleibt es bei Sprudelwasser. Aber das knallt ja auch ganz ordentlich. 
Warum der Puls eben kurz oben war: Wir hatten ein Dejavu. Einen Tag vor der Abreise gibt es wieder Trouble mit der Fähre. Ende vom Lied: Kreditkarte gesperrt, aber Fähre und Brücke gebucht. Ende gut, alles (fast) gut. Jetzt nur hoffen, dass unsere Maestro-Karte angenommen wird. Denn hier läuft im Gegensatz zu Deutschland alles bargeldlos ab. Heute morgen war das erste Mal in den zwei Wochen, dass ich Bargeld abgehoben habe um morgen unseren Strom zu bezahlen. Alleine einen Automaten zu finden war schon eine Weltreise. Ansonsten ist die Kreditkarte hier Bezahlmittel Nr.1. Selbst auf dem Rummel vor zwei Wochen wurden die Fahrkarten mit Plastik bezahlt. Da hat Deutschland schon noch einiges an Nachholbedarf.
Jetzt geht draußen gerade die Post ab. Das Partyvolk fragt nach dem Namen von Nikki Laudas Mutter. (Hierzu gerade ein Kollege, dass sie schon als kleiner Junge ******* aussah.)
Nachdem wir den Tag über gepackt haben, fahren wir nochmal nach Kalmar rein um bei Asiaten zu büffetieren. Der geneigte Leser erinnert sich noch an den ersten Tag auf schwedischem Boden (-> Karlskrona). Unsere vier hungrigen Münder bekommen wir heute mit einem richtig guten Buffet inkl. Getränke und anschließendem Blaubeerkuchen mit Vanillesoße und Kaffee für knappe und umgerechnete 50 Euro satt. In Kalmar ist dieses Wochenende einiges los, da am morgigen Samstag ein Ironman stattfinden wird. Die Radstrecke wird auch durch unsere Gegend verlaufen, weshalb heute morgen schon einige schnittigbehelmten Radsportler auf meinem Weg zum Supermarkt zu sehen waren. Am heutigen Freitag fand im Rahmenprogramm ein Juniorenlauf statt, weshalb die Stadt schon reichlich gefüllt war. Aus der Erfahrung der letzten zwei Wochen schon eher überfüllt. So voll war es noch nicht einmal bei Astrid Lindgren. Wir halten uns deshalb auch nicht lange auf und fahren alsbald auch wieder zurück nach Drag. Zuhause angekommen treffen wir nochmals auf die Nachbarin Rosita und ihren Mann Roger, die traurig wirken, dass wir morgen schon abreisen. Sie bitten uns darum, doch nochmal wiederzukommen. Und selbst wenn wir nur irgendwo in der Nähe wohnen, sollen wir doch auf ein Kaffeekränzchen, dem sogenannten Fika, vorbeikommen. Wir seien jederzeit herzlich willkommen. Das freut uns. Und dann zeigen sie Pauline und mir noch ihre selber gebaute Scheune. Rosita hat sich (oder Roger, da waren sie sich unsicher) zu ihrem 40. Geburtstag einen alten Jeep aus dem Jahre 1952 geschenkt, der zuvor im Koreakrieg im Einsatz war. Außerdem besitzt sie noch eine alte Monark, ein schwedisches Mopped, ähnlich unserer Schwalbe, mit der sie im Sommer immer die 3 km nach Revsudden fährt und dort am Hafen schwimmen geht. Mir gefällt die Vorstellung einer alten Dame auf einem alten Mopped auf dem Weg zum Badespaß im Hafen. Ich erzähle ihnen von meinem traktorsammelfreudigen Vater und zeige entsprechende Bilder, die sie ganz in Verzückung bringen. Ob jetzt wegen der alten Trecker oder des nicht minder alten Vaters erfrage ich dann nicht. Wir werden uns morgen früh auf jeden Fall nochmal persönlich verabschieden. Und wer weiß… vielleicht sieht man sich hier dann ja nochmal irgendwann. Freuen würde es uns alle auf jeden Fall.
Dann beginnt der spannende Teil der Verladung. Aus der Erfahrung der Hinfahrt schiebe ich die Rückbank nochmals um ca. 15cm weiter nach hinten um den Kindern vorne mehr Beinfreiheit zu geben und das Wickeln von Emil zu erleichtern. Am Ende passt alles wunderbar rein und wir haben immer noch Platz, morgen noch die ein oder andere Tasche und den Rehabuggy oben drauf zu legen, die wir im Verlauf der Rückfahrt noch benötigen werden.
Der Plan für die nächsten zwei Tage sieht wie folgt aus: Morgen zeitiger Aufbruch Richtung Dänemark. Über die Öresundbrücke an Kopenhagen vorbei bis Rödby. Da die Fähre um 15:45 Uhr bis Fehmarn nehmen und anschließend noch ein paar Kilometer bis Bad Malente in die Jugendherberge. Übernachtung und Entscheidung, ob wir ggf. noch einen Tag länger bleiben. Carina schielt glaube ich ein bisschen auf Gut Immenhof, welches dort gelegen ist.
Hier so Pferdedings und Mädchenohgottohgott. 
Müssen wir möglicherweise durch. 
Aber macht man ja gerne. 
Falls es uns dann doch am Sonntag gen Süden weitertreibt, werden wir in der Lüneburger Heide bei Familie Lange einen kurzen Kaffeestop einlegen. Wenn nicht, dann werden wir das halt am Montag anstreben. Und dann ist‘s auch nur noch ein kleiner Rutsch, bis wir wieder zu Hause sind. Wie das jetzt letztlich ausgeht, werden wir hier natürlich alle noch lesen können. Schwöre!

Tag 14 – Donnerstag, 17.08.23 – Auf Schusters Rappen

Der Kühlschrank ist fast leer und die Luft auch so langsam raus. Es ist schön hier und wir sind uns alle sicher, dass wir trotz des schönen Ausblicks auf unserer eigenen Terrasse in Hamm, die Aussicht auf die Ostsee vermissen werden. Wir werden auch die Landschaft mit ihren roten Häuschen vermissen. Und irgendwie ist uns auch das Schreinerhaus (Begriff final übernommen) auf gewisse Weise ans Herz gewachsen. Aber wir freuen uns auch langsam wieder auf zu Hause. Aber das soll ja auch so sein. Wir werden auf jeden Fall sehr, sehr viele schöne, spannende, lustige Erinnerungen mit zurücknehmen. Und ich bin sehr froh (und auch ein wenig stolz), dass ich den Großteil der Erleb- und Erkenntnisse hier festgehalten habe. Gut möglich, dass ich sie mir in ein paar Wochen und Monaten nochmal anschauen und gerne zurückerinnern werden. Vielleicht überkommt es mich ja im Nachgang noch und ich werde das Tagebuch noch um die entsprechenden Fotos und Videos ergänzen. Gut möglich aber auch, dass es nicht mehr dazu kommen wird. Egal. Vorhanden sind sie so oder so.
Und was haben wir heute, an diesem „little friday“, so getrieben? Eigentlich verlief der Tag so ähnlich wie gestern und war in erster Linie wieder von entspanntem Nichtstun geprägt. Carina und Pauline haben am vormittag eine kleine Paddeltour durch die Bucht gemacht, während Emil, Clemens und ich den Steg bewacht haben. Bei einer kleinen architektonischen Kanutour von Carina und mir entlang der benachbarten Häuser stellen wir fest, dass es wohl zwei Minks (Minke? Minken? Minikisse?) in unmittelbarer Nachbarschaft gibt. Wir sehen Herrn Ringel Natterson nochmal und können ihm ganz passable Schwimmkünste attestieren. Drei Runden Wikingerschach krönen Clemens und mich zu den Gewinnern des Tages, von dem wir uns aber leider auch nix kaufen können.
Am Nachmittag machen wir eine kleine Wanderung von ca. 8 km über die angrenzende Halbinsel durch Wiesen, Felder und Wälder. Wir sehen weitentfernte Rehe und naschen von den wegesnahen Brombeeren. Wir kommen an kleinen Siedlungen und einem schönen alten Bauernhof mit einer mächtigen alten Eiche vorbei, die sicherlich ihre 400-600 Jahre auf dem Buckel hat. Und immer wieder begleiten die typisch schwedischen Steinmauern unseren Weg. Der Wald scheint in irgendeiner Art bewirtschaftet. Es gibt gerade am Anfang des Waldes noch Spuren von Harvester und/oder Forwarder. Je weiter wir allerdings in den Wald reinkommen, desto weniger Bewirtschaftungsspuren sind zu sehen. Der Wald ist aber auch so dicht, dass man schon nach 10 bis 15 Metern vermutlich die Orientierung verliert. Nach ca. 2 Kilometern kommen wir wieder in eine offenere Weidelandschaft und sehen auch schon wieder die ersten Häuser. Kurz vor Drag erreichen wir noch eine zunächst schwer zu definierbare Location. Ein Gebäude, davor ein Spielplatz und ein großes Zelt mit Tischen und Stühlen. Eine provisorische Außenbar und einen Bereich mit Bühne. Da wir nicht an der Straße sondern eher durch den Wald zurück nach Drag wollen und den Weg suchen, sprechen wir einen jüngeren Mann (also so ca. mein Alter) an und er hilft uns gerne weiter. Auf Nachfragen erklärt er uns, dass es sich bei der Einrichtung um eine Art Dorfgemeinschaftshaus oder -einrichtung handelt. Im Sommer treffen sich hier die Bewohner der Halbinsel regelmäßig und feiern und „netzwerken“. Meistens mit Livemusik oder Bingo oder ähnlicher Unterhaltung. Touristen werden nicht heimgeschickt, sondern gerne integriert. Im Winter trifft man sich in der Regel alle zwei bis drei Wochen. Häufig gibt es dann Vorträge von Bürgern zu allen möglichen Themen, die die Gemeinde betreffen oder auch einfach nur rein informelle Dinge. Es gab wohl schon Beiträge von Mitbürgern, die ein halbes Jahr in der Antarktis gelebt oder auf einer Ölplattform gearbeitet haben. Ich erinnere mich daran, dass zu Kopenhagener Zeiten Kollegen davon erzählten, dass die Schweden relativ wenig Alkohol zu normalen Zeiten trinken, dafür dann aber immer umso schlimmer zuschlagen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Und ich vermute, dass es sich dabei um genau so einen Ort für genau solche Gelegenheiten handelt. Der Blick in den Kofferraum des jungen Mannes, der das Dorftreffen für Samstag vorbereitet, scheint meine Vermutung zu bestätigen. Hier lagert genug Stoff für ein ordentliches Gelage. Mir gefällt die Vorstellung einer so funktionierenden Dorfgemeinschaft und schreibe es auf meinen imaginären Notizzettel für daheim.
Zuhause angekommen beginnen wir sofort mit der Zubereitung des Essens, da es mittlerweile auch schon nach 18:00 Uhr ist. Es wird Nudeln mit Tomatensoße, Schweinefilet und Salat geben. Quasi alles das, was mal langsam weg muss. Während Pauline und Clemens im Anschluss spülen, räumen wir noch das Kanu zurück in den Keller und verstauen Sitzsack und Klappstühle im Trockenen. Für morgen ist Regen gemeldet, da möchten wir ungern nasse Klamotten ins Auto packen.
Ein sonniger Tag neigt sich mit einer tollen Abendstimmung am Wasser dem Ende. Um 22:00 Uhr ist dann Ruhe und alle liegen in Ihren Betten. Morgen wird dann gepackt und übermorgen geht es wieder zurück nach Deutschland.

Tag 13 – Mittwoch, 16.08.23 – Rosita

Diesen Tag werde ich in wenigen Zeilen abhandeln. So ist es gerade mein Ansinnen.
Also: Aufstehen, Frühstück, am Wasser rumgammeln, Nickerchen machen, kurz einkaufen, grillen, Smalltalk mit den Nachbarn, Bilder knipsen, Ende!
Alles klar, dann mal bis morgen. Tschüssi!

P.S.: Wollte noch erwähnen, dass die Kinder jetzt ein neues maritimes Hobby haben. Sie suchen jetzt nach Golfbällen im vor und neben uns liegendem Wasser. Der übernächste Nachbar haut wohl regelmäßig seine Bälle in die Ostsee. Auch so kann man aus meiner Sicht zum Steigen des Meeresspiegels beitragen. Der Anfang der Meeresspiegelsenkung ist gemacht und so befinden sich jetzt sieben Bälle im Besitz von Pauline und Clemens. Das diese vom übernächsten Nachbarn stammen, haben wir von unserer bereits vorgestern erwähnten Nachbarin erfahren. Deren Name ist Rosita. Auch das haben wir von ihr erfahren. Als ich die Perspektiven der Sammelaktion darin zusammenfasste, dass die Kinder die Bälle für unsere Golfspieler daheim importieren könnten oder sie einfach dem Nachbarn wiederverkaufen könnten, bestand Rosita vehement darauf, diese doch mit nach Hause zu nehmen, da der Nachbar eh schon über deutlich zu viele Bälle verfügen würde. Wir lesen zwischen den Zeilen und erkennen einen möglichen Konflikt zwischen den Schweden („Der Depp! Hämmert er schon wieder seinen Plastikmüll in die Ostsee! Wir sollten ihm seine Schläger verbiegen, diesem Pflaumenaugust.“).
Von Rosita erfahren wir auch, dass das Tier, welches wir als Otter bezeichneten, tatsächlich ein zur Marderfamilie gehörender Mink ist und wohl eine Eigentumswohnung unter unserem Steg besitzt. Die Daseinsberechtigung seiner aus Nordamerika stammenden Artgenossen ist unter anderem mit der Lieferung von Fell zur Mantelherstellung begründet. Als hätte er uns gehört, taucht er nach einigen Tagen Abstinenz am heutigen Nachmittag nochmal auf und hoppelt vergnügt am benachbarten Steinstrand auf und ab.
Als am Abend die Sonne ein imposantes Sonnenuntergangsfeuerwerk am Himmel inszeniert und wir uns für ein paar völlig spontane Urlaubsbilder auf den Steg begeben, tauchen wenig später auch wieder Rosita und diesmal auch ihr Mann auf. Wieder ergibt sich ein schönes Gespräch und wir bekommen interessante Infos zum Leben in Schweden, Fassadenfarbe und speziell dieser Nachbarschaft geliefert. Die beiden -ich schätze beide so um die Mitte 70 bis 80- sind uns sehr sympathisch und ich glaube das beruht letztlich auch auf Gegenseitigkeit.
Lustiger Moment: Mitten im Gespräch auf Englisch spricht sie Clemens auf Deutsch an und Clemens ist so verdattert, dass er sich rumdreht und wegläuft und nicht weiß, wie er auf die Frage nach seinem Namen (!) antworten soll.
Clemens.
Stumm.
Verlegen.
Ist uns auch neu. Läuft bei ihm dann auch irgendwann mal unter „Auslandserfahrung“.

Heute ist Mittwoch und mehr und mehr wird uns bewusst, dass sich unser Urlaub langsam dem Ende nähert. Übermorgen werden wir schon mit dem Sachenpacken beginnen. Nicht schlimm, da eh Regen gemeldet ist. Bedeutet, dass so gesehen morgen der letzte richtige Urlaubstag hier in Drag ist. Geplant ist nichts bestimmtes und so kann es sein, da auch das Wetter entsprechend gut gemeldet ist, dass wir wieder hier am Wasser rumliegen werden, während die Kinder nochmals Quallen oder Golfbälle fischen gehen. Und jetzt beginnt die Phase wo geschaut werden muss, dass die Vorräte sinnvoll aufgebraucht werden. Der Ritt auf Messersschneide, um nicht zu früh ohne Nahrungsmittel dazustehen und auch nicht am Ende im schlimmsten Falle Sachen entsorgen zu müssen. Ok… ein Teil wie Zucker, Salz und so weiter können im Haus verbleiben. Den anderen Teil würden wir Rosita und Mann anbieten. Viel Möglichkeiten der Entsorgung haben wir eh nicht. Unsere Mülltonne quillt schon über. Da sind nicht zuletzt auch Emils Pampers dran schuld. Er… aber gut… lassen wir das. Und damit schließe ich auch die Dokumentation des heutigen Tage ab und verbleibe mit einem pragmatischen:

P.P.S.: Nacht zesamme!

Tag 12 – Dienstag, 15.08.23 – Mattis belehrt mich eines Besseren

Hui! Was ein Tag!
Ich fürchte, das was wir heute erlebt haben, hier nicht annähernd wiedergeben zu können, wie wir es erlebt haben.
Zunächst waren wir heute geplant relativ früh auf, da es zwischen Drag und Vimmerby laut Google Maps ca. eindreiviertel bis zwei Stunden Fahrzeit benötigt und wir pünktlich um 10:00 Uhr in der Astrid Lindgren Welt sein wollten. Das hat dann auch fast mit einer viertel Stunde Verspätung hingehauen. Man will es im Urlaub mit der Pünktlichkeit ja nicht übertreiben.
An dieser Stelle möchte ich dann doch ehrlich sein: Ich bin ins Auto eingestiegen und habe mich auf den Weg in einen Freizeitpark gemacht, um den Kindern einen Gefallen zu tun. Freizeitpark ist mittlerweile für mich so was wie Kirmes. Zu viel Trubel, zu viel Hektik, zu offensichtliches Geld-aus-der-Tasche-Ziehen, zu wenig Qualität. Das Logo der Astrid Lindgren Värld (Welt) schien schon darauf hinzudeuten. Gemalte Pippi über einem gelben Buch. Der Park grenzt an ein tristes Gewerbegebiet und am Bezahlparkplatz schließt direkt eine Containerfront an. Und der Eingang war jetzt auch eher schmucklos. Zweckmäßig, aber unspektakulär.
Aber mit dem Durchschreiten der Eingangspforte war man mit einem Schlag in einer komplett anderen Welt. Ja, sogar anderen Zeit. Man befand sich unmittelbar am Anfang von Lottas Krachmacherstraße und am Ende der 50er Jahre. Ein alter Volvo parkt an einem Turm, dahinter eine typische BP-Tankstelle aus vergangenen Tagen. Weiter im Hintergrund ganze Straßenzüge und Häuser im typisch schwedischen Stil. Wir sind von einem Moment auf den anderen gefesselt. Wenige Meter weiter sitzen ein Landstreicher und ein Junge (beides Schauspieler, keine Puppen) in einem Park an einer Birke angelehnt und sind ins Gespräch vertieft. Wie sich rausstellt, handelt es sich bei dem Jungen um Rasmus und dem Mann um den Landstreicher Oskar. Wir erreichen eine kleine Stadt, deren Häuser im Maßstab 1:2 originalgetreu gebaut sind. Teilweise nur als Fassade, teils verbirgt sich im Gebäude dann wieder im Originalmaßstab ein richtiger Laden für Süßigkeiten oder Eis oder Souveniers. Und dann gibt es auf dem gesamten Gelände verteilt Freilichtbühnen. Große, wie auch kleine, auf denen Szenen aus den bekannten Lindgren‘schen Geschichten aufgeführt werden. Als erstes finden wir die Villa Kunterbunt und erleben eine wilde Verfolgungsjagd zwischen Pippi und den lustigen Polizisten Kling und Klang bis hoch auf‘s Dach und wieder zurück. Am Nachmittag erleben wir hier noch eine weitere Geschichte, zu der im benachbarten Hafen sogar die Hoppetossa –Pippi sein Vater sein Schiff– anlegt.
Kurz vorweg:Ich werde und kann nicht den ganzen Tag wiedergeben können. Es ist einfach zu viel und zu gut. Das muss man einfach mal selber erlebt haben!
Was für mich hängen bleiben wird, sind all die Details, mit denen die Kulissen und alles andere ausgestattet sind. Und die Kulissen hören nicht da auf, wo der Zuschauer nicht mehr hinschauen kann, sondern erst viel weiter dahinter bzw. gar nicht. Nach dem Ende der jeweiligen Aufführung verschwinden die Schauspieler nicht in der Maske oder Garderobe, sondern bleiben noch vor Ort, spielen Ihre Rolle noch weiter oder kommen einfach so ins Gespräch, während man auch hinter die Szenenfläche gehen kann. Und hier gibt es die Dinge, die der Aufführung zwar nicht dienen, aber so wichtig für’s Geschichtenerzählen sind. Die Häuser und Schuppen auf dem Katthult-Hof sind halt nicht einfach nur Fassaden, sondern dahinter verbergen sich komplett ausgestattete Häuser und Räume. Im Tischlerschuppen liegen nicht nur entsprechende Werkzeuge rum, auch Michels handgeschnitzte Holzfiguren stehen auf den Regalen. Im Schuppen daneben werden Lebensmittel gelagert und die Würste hängen unter der Decke. Gut… die sind nicht echt. Sehen aber echt aus. Für das Schauspiel unerheblich, aber die Geschichte, dass hier gerade Michel, Ida wird damit vor allem den kleinen Zuschauern damit im Anschluss weitererzählt.
Ähnlich auf der Mattis-Feste. Vorne spielen die Räuber und hinten befindet sich eine komplette Räuberhöhle. Inkl. Keller, Schlafräume und Kerker. Apropos: Mich hat es final (und das schon früh am Tage) total getriggert, als die Räuberbande um Anführer Mattis aus dem angrenzenden (und realen) Wald zurückkehren und dabei einen mehrstimmigen Gesang anheben. Das ging mir unter die Haut. Als nach der Aufführung ein ordentlicher Regen einsetzte, versammelten sich mit mir einige Zuschauer im Speiseraum der Burg, wo die verbliebenen Räuber ihren Gesang fortführten. Ich bin mir nicht sicher, ob ein nicht unerheblicher Teil davon sogar improvisiert war. Egal. Ich war eh schon hin und weg. Bei solchen Sachen bin ich nun wirklich sehr, sehr leicht zu begeistern.
Zwischendurch essen wir noch in einem süßem kleinen Cafe zu Mittag. Für mich gibt es erdbeerkompottbegleiteten Käsekuchen, für Pauline eine Art Smörrebröd, für Carina Sandwich. Alles auf schönem goldumrandeten Porzellan serviert. Dazu noch einen Kaffee. Perfekt. Clemens bekommt zum Schluss noch ein Eis, weil er zuvor auf Karlsons Dach rutschen war.
Am Schluss gibt es noch an der oben beschrieben Tankstelle von einer vierköpfigen Band Jazzarangements der bekanntesten Filmmusiken. Einfach so, einfach auf der Straße. Schlagzeug, Bass, Klavier und Saxophon. Ich hätte noch stundenlang zuhören können. Nach sieben Stunden Aufenthalt im Park sind die Kindern allerdings mittlerweile ”satt“. Man kann hier sicherlich auch noch einen zweiten Tag verbringen. Nicht wegen der Größe, sondern wegen all der Details und der ganzen Aufführungen, die man gar nicht alle an einem Tag erleben kann.
Die Rücktour zurück nach Drag führt uns über ewig lange und schöne Landstraßen noch nach Oskarshamn, wo wir gegenüber des Fährhafens zu Abend essen. Es gibt, Tortillas, Burger, Lachs und Grillteller. Zwischendurch zieht Carina Clemens noch einen Zahn. Der Junge hat mittlerweile ein Zahnlücke vorne… hat Ähnlichkeiten mit der Fähre aus Gotland die just in diesem Moment anlegt und Autos und LKWs entlässt. Die Ladeluke ist ähnlich breit.
Zuhause angekommen erweitern wir noch unsere Faunaliste um den Punkt Rehe, die sich zwischen Gewächshaus und dem Kanal aufhalten. Glücklich und zufrieden fallen alle Kinder ins Bett. Die Eltern nach diesen Zeilen hier auch.
Aus de‘ Maus.

P.S.: Ich werde den Text morgen vielleicht aufgrund des fortgeschrittenen Abends nochmal Korrekturlesen und/oder ergänzen, falls ich was wichtiges vergessen habe. Aber Michel, Mattis, Glatzen-Per und Pippi haben mich doch ganz schön fertig gemacht. Würde mich nicht wundern, wenn ich heute Nacht im Traum noch Astrid Lindgren persönlich begegne und ihr für all die Geschichten danke und gratuliere.

Tag 11 – Montag, 14.08.23 – Umsonst gepaddelt

Der Morgen verläuft vom Prozedere und Zeitplan im Prinzip wie alle anderen Morgen auch. Anschließend sitzen, liegen, hüpfen wir im Sonnenschein auf unserem Steg und lassen mal wieder den Tag aus der Sonne tröpfeln. Das ist schön so. Im Laufe des Mittags kommt der Wunsch auf, nochmal auf dem Kalmar Campingplatz essen zu gehen. Das lässt sich prima mit einer Tour in „unserem“ Kanadier durchführen. Also geht es in des Nachbarn Keller und holen die gute MS Trapper raus. Im Regal liegen auch noch die passenden Stechpaddel. Die passen eher. Zunächst üben wir noch ein bisschen in den heimischen Gewässern. Da wir keine Schwimmwesten haben, werden wir Clemens eine Schaumstoffplatte auf den Rücken schnallen. Und für den unwahrscheinlichen Fall des Kenterns, werden wir auch noch das StandUpPaddlingBoard (in Zukunft nur noch SUP; Kackwort!) im Schleppverband hinter uns herziehen. Der Hosenträger zum Gürtel quasi. Und so machen sich Clemens, Pauline und ich am frühen Nachmittag auf zum ca. 3,5km südlich entfernt gelegenen Campingplatz. Der Weg führt uns zunächst durch den Drags Kanal. Der liegt nicht nur direkt angrenzend an unserem Grundstück, sondern ist auch Schwedens ältester Kanal. Da schau her! Er ist ca. 180 m lang, stammt aus dem 14. Jahrhundert und verbindet unseren Teil der Ostsee mit dem südlichen Teil, dem Kalmarsund. Findige Fischer und Ubootkapitäne werden sich irgendwann zu damaliger Zeit gedacht haben, dass eine gemeinschaftliche Aktion mit Hacke, Schüppe und Schubkarre durchaus mehr Sinn macht, als andauernd um die Halbinsel um Revsudden zu segeln und rudern. So ist dann der Kanal entstanden, auf dem wir heute dann in „südlichere Gewässer“ aufbrechen. Diesen zu finden ist allerdings gar nicht so einfach. An der schmalsten Stelle misst er vielleicht anderthalb, an der breitesten vielleicht drei Meter. Sowohl auf unserer Seite und vor allem an der südlichen Seite befindet sich die Einfahrt in den Kanal gut unter Büschen und Bäumen versteckt, weshalb wir sehr häufig Zeuge davon werden, dass Kanuten erstmal die Küste hin- und herkreuzen, bevor sie den Kanal entdecken. Wir stellen uns da heute geschickter an finden sofort rein. Sowohl auf der Hin- als auch auf der Rücktour. Klar, Heimvorteil.
Der Teil der Fahrt, der abseits des Kanals über die offene Ostsee führt, ist immer wieder von Stellen gespickt, an denen die Wassertiefe deutlich unter 2 m ist, weshalb wir häufig den Boden erkennen können. Manchmal müssen wir sogar aufpassen nicht auf Steinen aufzusetzen. Vorteil dabei, dass der Kanadier vermutlich keine 15 cm Tiefgang hat. Die Route zum Campingplatz lässt uns dabei selten weiter als 200-300 m vom Ufer entfernen.
Auf dem Hinweg packen wir, wie oben schon beschrieben, Clemens ins unsere Mitte. Ich paddel vorne, Pauline hinten und Clemens weiß ca. 50 Minuten lang, wie es besser geht, wie man am besten motiviert, wo es zwischen Trelleborg und Kalmar die besten Langusten am Hafen gibt und warum Syd Barret Pink Floyd vorzeitig verlassen hat. Kurz wird er still, als Pauline und er kurz vor der Ankunft die Plätze tauschen und er auch mal Paddeln muss. Die Ruhe hält nicht lang, weil er schon nach wenigen Schlägen mit dem Ruder bemerkt, wie anstrengend die ganze Geschichte ist und das Maulen beginnt. Mit dem ersten Fuß auf dem Strand hält der Mund mal wieder nicht still und gibt jede einzelne Welle und Quallenbegegnung auf dem Weg wieder. Den Rückweg will er dann aber trotzdem lieber auf dem Landweg zurücklegen.
Und dann der „Schock“: Hatten wir uns doch so auf die Fish ‘n Chips gefreut, eröffnet man uns, dass am gestrigen Sonntag die Küche das letzte Mal für diese Saison geöffnet hatte. Einen Tag zu spät! Argh! Ähnlich wie bei der Sommerbäckerei geht man hier langsam in den Wintermodus über. Die schlechte Nachricht musste für Carina und mich dann erstmal mit einem frischgezapften Bier runtergespült werden. Wir entschließen uns, die restlichen Sachen von gestern zu vergrillen. Darum machen wir uns ca. 45 Minuten später wieder zurück auf den Heimweg. Da wir diesmal Rückenwind haben und den Bordclown (= weniger Ballast) im Auto lassen konnten, sind wir ca. 15 Minuten schneller wieder zu Hause. Zwischdurch hält Pauline inne und weißt auf die unglaubliche Stille hin, die um uns herum und im Boot herrscht. Am Schreinerhaus machen wir uns den mittlerweile liebgewonnenen Schafkäse und Brot im Backofen und Salat, heizen den Grill an und holen Tisch und Stühle aus dem Gewächshaus wieder auf die Wiese. Gegen acht Uhr ist dann so weit alles durch, die Kinder (zumindest K2 und K3) liegen im Bett, die Küche ist fertig und die Sachen für morgen sind schon gepackt. Dann geht es nämlich schon früh ins ca. 2 Stunden entfernte Vimmerby zu Astrid Lindgren. Naja, zumindest in ihren Freizeitpark. Also… den Park, der ihre Geschichten nacherzählt. Inklusive Villa Kunterbunt und der Mattisburg. Und Bullerbü soll es glaube ich auch geben. Wir sind freudig gespannt.
Oh! Schon 22:00 Uhr. Ich muss jetzt auch ins Bett. Morgen werde ich keine Gelegenheit haben, so wie heute, mich auf den Sitzsack auf den Steg zu legen und ne Runde zu pennen. Also denn, bis dahin!

Nachsatz

Was ich am gestrigen Sonntag vergessen habe zu erwähnen: Nicht nur die Natur kennt keine Sonntage und Ruhezeiten. Die Schweden hier kennen das auch nicht. Und deswegen wird hier auch am Sonntag links und rechts unbedarft Rasen gemäht. Und zwei Bootsstege weiter wird der selbige mit der Stichsäge modifiziert. Uns stört das keines falls. Ganz im Gegenteil. Sollte es in Deutschland aus welchen Gründen auch immer mit der Brenn- und Schnitthholzmacherei nicht mehr funktionieren, werde ich nach Schweden auswandern. Und wenn ich mit dem Traktor am Samstagsmorgen um 08:00 Uhr hierhin fahren muss. 😉

Tag 10 – Sonntag, 13.08.23 – Teil II / Grillabend

Mein literarisches Pulver habe ich bereits heute morgen verschossen. Von daher jetzt noch die Kurzform des heutigen Tages.

Plan war: Um die Mittagszeit nach Kalmar, Eis essen, weitere Teile der Stadt besichtigen, Einkaufen (geht hier Sonntags bis 23 Uhr) und Grillen.

Daraus geworden ist: Prokrastination as its best. Irgendwann Deadline auf 14:00 Uhr Abfahrt gesetzt um dann pünktlich um 15:45 Uhr in die Stadt zu fahren. Ist sicherlich auch meine Schuld. Wollte Emil eine frische Pampers machen und bin anschließend so müde (Grund s. Teil I), dass ich mich neben ihn lege und einratze. Derweil vergnügt sich der Rest der Familie weiterhin am Steg. Der heutige ablandige Wind führt dazu, dass unser Gewässer zumindest in weiten Teilen der Ufernähe quasi quallenfrei ist. Und deswegen springen die Kinder auch das erste Mal ganz befreit ins Wasser. Ich bin ob der juvinilen Unbekümmertheit ein wenig neidisch. Zu verkopft, der Alte mit seinen Quallen. Zudem kommt es heute zu zwei Besuchen. Zum einen Hakan, der nette Hausbesitzer, der uns auf Nachfragen nicht nur seine Kanus (s. Beitrag gestern) überlässt, sondern auch noch die dazugehörigen Paddel aus dem Privatschuppen raussucht. Sehr nett.
Zudem kommt die alte Nachbarin von nebenan vorbei und wir kommen ins Gespräch. Ihr Großvater ist nebenan aufgewachsen und sie kennt noch die Familie, die unser Haus vor über hundert Jahren bewohnt hat. Unvorstellbar: Der ursprüngliche Teil unseres Ferienhauses umfasst heute ja nicht mehr als drei Räume. Eingangsflur, Küche und Esszimmer/Stube. Die drei Kinder der „Erstbezieher“ hatten Ihren Bereich unter dem Dach und war nicht mehr als ein Kriechboden, der über eine Leiter zu erreichen war. Ohne Dämmung. Ohne alles. Bett (Strohlager?) unter den Dachpfannen. Im Sommer sicherlich zu warm und im Winter schweinekalt. Solche Verhältnisse von damals kann man sich heute mit unseren KfW-gedämmten Edelbuden gar nicht mehr vorstellen.
Letztlich auch der Grund, warum unsere alte Nachbarin hier nur im Zeitraum Juni bis September wohnt und ansonsten in Stockholm lebt. Obwohl nördlicher gelegen, ist es dort im Winter wärmer als hier. Gerade der Bereich hier an der Ostsee ist von winterlichen Nordwinden betroffen.
Ok… wo war ich stehengeblieben? Kalmar. Korrekt. Also am Nachmittag komplette Mannschaft in den Bus gepackt und ab ins Stadtzentrum. Bisschen rumlaufen, Eis kaufen, am Hafen rumlungern und zusehen, wie Pauline Clemens ’ne blutige Nase schlägt. Im örtlichen ICA Megastore von der schieren Menge an Konsumgütern erschlagen werden, trotzdem alles, was wir brauchen und noch viel mehr einkaufen und wieder zurückfahren. Weil es mittlerweile sieben Uhr am Abend geworden ist, schnell den Grill anschmeißen, Emil versorgen, auspacken, einräumen, vorbereiten, umbauen, raustragen, grillieren. Wir essen heute abend im Gewächshaus. Das ist neu für uns und gar nicht mal so schlecht. Es ist hell, es ist windgeschützt, aber leider voller Insekten. Am Ende beeilen wir uns, um nicht Opfer derer zu werden, spülen ab, machen die Kinder bettfertig und kümmern uns anschließend um die eingefrorene Flasche Wein (Dipositionsfehler vom Vortag).
Zack!
Tag zuende.
Ich kehre die runtergefallenen Buchstaben und Silben zusammen u’d ge‘e au’h i’s Be‘t. Nacht z samm!

Tag 10 – Sonntag, 13.08.23 – Teil I / Morgenstimmung

Untertitel: Der Versuch, eine phantastische Morgenstimmung einzufangen.
Ach, was soll man davon halten? Irgendwie ist die Nacht um 04:00 Uhr rum. Emil meckert ein bisschen und ich lagere ihn um. Dann noch kurz auf Toilette. Nicht selten, so auch heute, ist damit die Nachtruhe gelaufen. Ich lege mich zurück ins Bett, versuche vergeblich wieder einzuschlafen und nehme mir letztendlich das Telefon in die Hand, um zu gucken, ob in der Welt schon irgendwas interessantes passiert ist. Schon klar, dass dem Schlaf damit der Todesstoß versetzt wird. Nach völlig sinnbefreitem Rumscrollen auf den Seiten des Netzes entscheide ich mich gegen viertel nach fünf dazu, Kaffee zu kochen. Und gleichzeitig kommt mir die Idee, den dann unten am Steg zu trinken. Carina, die mich aus einem halbgeöffneten Augen anblinzelt, bekomme ich nicht dazu überredet mitzukommen. Klar. Wenn ich schlaftrunkend unter einer gemütlichen Decke liege, könnte ich mich auch nicht aufraffen, das Bett zu verlassen, mich anzuziehen und vor das Haus zu treten. Also schmeiß ich die giftgrüne Moccamaster an, ziehe mir Hose und Hoodie an und befinde mich kurze Zeit später mit einer frischen Tasse Kaffee auf dem Weg runter zum Steg. Ich wundere mich kurz. Es hat heute Nacht wohl geregnet, denn alles ist feuchter als es vom Tau her rühren könnte. Zum Glück habe ich noch eine alte Papprolle in meiner Hose (klar, schleppt man ja immer so mit sich rum!) mit der ich einen Stuhl grob trocknen kann. Und so sitze ich nun auf einem Stuhl auf einem Steg an einem Meer mit einem Kaffee und genieße die Ruhe. Wobei, hahaha, Ruhe herrscht ja gar nicht! Vor mir liegt die glatte Ostsee, am Himmel kleinste Schäfchenwolken, klare Sicht und die Sonne zieht sich gerade rechts von mir im Osten über den Horizont. Menschliche Geräuschquellen sind tatsächlich nicht vorhanden. Keine Autos, kein Trecker, kein Bagger, wie gestern. Kein Flugzeug, Hubschrauber, Motorboot. Nix. Äußerst idyllisch!
Aber: Die Natur ist schon da. Und wach. Natur kennt keinen Sonntag, keine Ruhezeiten. Auf und an der See herrscht schon ein buntes und lautstarkes Treiben. Am leisesten sind da noch die Fische. Die sind auch schon sehr aktiv und machen Luftsprünge. Ob vor Freude oder aufgrund der tieffliegenden Mücken weiß ich jetzt nicht. Ich hoffe auf ersteres, denke aber letzteres. Und ansonsten sind hier Vögel. Viele und unterschiedliche Vögel. In mannigfaltiger Gruppengröße. Hinter mir ist seit Tagen ein einzelner Specht zu hören. Kein aufdringliches Höhlenbaugehämmer. Eher so ein leises Klopfen an der Tür nach dem Motto „Hallo Familie Made! Lust auf ein gemeinsames Frühstück?“. Okay. Fische und Specht würden den Bereich „Ruhe“ abdecken. Aber dann sind da noch mehrere Gruppen von Komoranen, Gänsen und Krähen. Während draußen auf dem Wasser mehrere Ansammlungen von nicht zuordnungsfähigen Vögeln ruhig ihre Bahnen ziehen, sitzen ca. 100m weiter die zuvor genannten Kameraden und veranstalten einen frühmorgendlichen Gospelgottesdienst mit großem „Hallo“ und „Praise the lord!“ Dauerndes Geschnatter und Losfliegen einzelner Kleingruppen. Dazu eine Gruppe Krähen auf Dach und Schornstein eines benachbarten Hauses, die sich dem Gegacker nach schmutzige Witze erzählen oder sich über die Komorane lustig machen, da sie immer „so doof mitti aufen Flügel da auffe Steine sitze! Krahahaha!“. Immer wieder ziehen Formationen von schnatternden Gänse über mir her. Vielleicht sind das Flugschulen, die Kurse für Winterflüge anbieten. Vorne und hinten jeweils ein Fluglehrer, welche Instruktionen wie „Achtung! Bitte auf den strömungstechnisch sinnvollen Versatz zur Vordergans achten, Leute! Ihr wollt doch nicht schon Höhe Osnabrück schlapp machen! Da sind die Füchse jedes Jahr auf neue bisswütig und ausgehungert! Auf! Auf! Konzentration!“
Dann sind da noch unzählige Schwalben, die auf dem Fang von Mücken knapp über das Wasser gleiten. Still, aber sehr schnell und durcheinander. Und immer wieder einzelne Enten, die die Textzeile „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh‘ “ umsetzen.
Unter‘m Strich ein besonderer Moment für den ich dankbar bin, ihn erleben zu dürfen. Ich winke dem immer noch zelebrierten Gottetsdienst zu, sage dem Specht „Bis später!“ und gehe zurück ins Haus. Kaffee ist alle.