Tag 12 – Dienstag, 15.08.23 – Mattis belehrt mich eines Besseren

Hui! Was ein Tag!
Ich fürchte, das was wir heute erlebt haben, hier nicht annähernd wiedergeben zu können, wie wir es erlebt haben.
Zunächst waren wir heute geplant relativ früh auf, da es zwischen Drag und Vimmerby laut Google Maps ca. eindreiviertel bis zwei Stunden Fahrzeit benötigt und wir pünktlich um 10:00 Uhr in der Astrid Lindgren Welt sein wollten. Das hat dann auch fast mit einer viertel Stunde Verspätung hingehauen. Man will es im Urlaub mit der Pünktlichkeit ja nicht übertreiben.
An dieser Stelle möchte ich dann doch ehrlich sein: Ich bin ins Auto eingestiegen und habe mich auf den Weg in einen Freizeitpark gemacht, um den Kindern einen Gefallen zu tun. Freizeitpark ist mittlerweile für mich so was wie Kirmes. Zu viel Trubel, zu viel Hektik, zu offensichtliches Geld-aus-der-Tasche-Ziehen, zu wenig Qualität. Das Logo der Astrid Lindgren Värld (Welt) schien schon darauf hinzudeuten. Gemalte Pippi über einem gelben Buch. Der Park grenzt an ein tristes Gewerbegebiet und am Bezahlparkplatz schließt direkt eine Containerfront an. Und der Eingang war jetzt auch eher schmucklos. Zweckmäßig, aber unspektakulär.
Aber mit dem Durchschreiten der Eingangspforte war man mit einem Schlag in einer komplett anderen Welt. Ja, sogar anderen Zeit. Man befand sich unmittelbar am Anfang von Lottas Krachmacherstraße und am Ende der 50er Jahre. Ein alter Volvo parkt an einem Turm, dahinter eine typische BP-Tankstelle aus vergangenen Tagen. Weiter im Hintergrund ganze Straßenzüge und Häuser im typisch schwedischen Stil. Wir sind von einem Moment auf den anderen gefesselt. Wenige Meter weiter sitzen ein Landstreicher und ein Junge (beides Schauspieler, keine Puppen) in einem Park an einer Birke angelehnt und sind ins Gespräch vertieft. Wie sich rausstellt, handelt es sich bei dem Jungen um Rasmus und dem Mann um den Landstreicher Oskar. Wir erreichen eine kleine Stadt, deren Häuser im Maßstab 1:2 originalgetreu gebaut sind. Teilweise nur als Fassade, teils verbirgt sich im Gebäude dann wieder im Originalmaßstab ein richtiger Laden für Süßigkeiten oder Eis oder Souveniers. Und dann gibt es auf dem gesamten Gelände verteilt Freilichtbühnen. Große, wie auch kleine, auf denen Szenen aus den bekannten Lindgren‘schen Geschichten aufgeführt werden. Als erstes finden wir die Villa Kunterbunt und erleben eine wilde Verfolgungsjagd zwischen Pippi und den lustigen Polizisten Kling und Klang bis hoch auf‘s Dach und wieder zurück. Am Nachmittag erleben wir hier noch eine weitere Geschichte, zu der im benachbarten Hafen sogar die Hoppetossa –Pippi sein Vater sein Schiff– anlegt.
Kurz vorweg:Ich werde und kann nicht den ganzen Tag wiedergeben können. Es ist einfach zu viel und zu gut. Das muss man einfach mal selber erlebt haben!
Was für mich hängen bleiben wird, sind all die Details, mit denen die Kulissen und alles andere ausgestattet sind. Und die Kulissen hören nicht da auf, wo der Zuschauer nicht mehr hinschauen kann, sondern erst viel weiter dahinter bzw. gar nicht. Nach dem Ende der jeweiligen Aufführung verschwinden die Schauspieler nicht in der Maske oder Garderobe, sondern bleiben noch vor Ort, spielen Ihre Rolle noch weiter oder kommen einfach so ins Gespräch, während man auch hinter die Szenenfläche gehen kann. Und hier gibt es die Dinge, die der Aufführung zwar nicht dienen, aber so wichtig für’s Geschichtenerzählen sind. Die Häuser und Schuppen auf dem Katthult-Hof sind halt nicht einfach nur Fassaden, sondern dahinter verbergen sich komplett ausgestattete Häuser und Räume. Im Tischlerschuppen liegen nicht nur entsprechende Werkzeuge rum, auch Michels handgeschnitzte Holzfiguren stehen auf den Regalen. Im Schuppen daneben werden Lebensmittel gelagert und die Würste hängen unter der Decke. Gut… die sind nicht echt. Sehen aber echt aus. Für das Schauspiel unerheblich, aber die Geschichte, dass hier gerade Michel, Ida wird damit vor allem den kleinen Zuschauern damit im Anschluss weitererzählt.
Ähnlich auf der Mattis-Feste. Vorne spielen die Räuber und hinten befindet sich eine komplette Räuberhöhle. Inkl. Keller, Schlafräume und Kerker. Apropos: Mich hat es final (und das schon früh am Tage) total getriggert, als die Räuberbande um Anführer Mattis aus dem angrenzenden (und realen) Wald zurückkehren und dabei einen mehrstimmigen Gesang anheben. Das ging mir unter die Haut. Als nach der Aufführung ein ordentlicher Regen einsetzte, versammelten sich mit mir einige Zuschauer im Speiseraum der Burg, wo die verbliebenen Räuber ihren Gesang fortführten. Ich bin mir nicht sicher, ob ein nicht unerheblicher Teil davon sogar improvisiert war. Egal. Ich war eh schon hin und weg. Bei solchen Sachen bin ich nun wirklich sehr, sehr leicht zu begeistern.
Zwischendurch essen wir noch in einem süßem kleinen Cafe zu Mittag. Für mich gibt es erdbeerkompottbegleiteten Käsekuchen, für Pauline eine Art Smörrebröd, für Carina Sandwich. Alles auf schönem goldumrandeten Porzellan serviert. Dazu noch einen Kaffee. Perfekt. Clemens bekommt zum Schluss noch ein Eis, weil er zuvor auf Karlsons Dach rutschen war.
Am Schluss gibt es noch an der oben beschrieben Tankstelle von einer vierköpfigen Band Jazzarangements der bekanntesten Filmmusiken. Einfach so, einfach auf der Straße. Schlagzeug, Bass, Klavier und Saxophon. Ich hätte noch stundenlang zuhören können. Nach sieben Stunden Aufenthalt im Park sind die Kindern allerdings mittlerweile ”satt“. Man kann hier sicherlich auch noch einen zweiten Tag verbringen. Nicht wegen der Größe, sondern wegen all der Details und der ganzen Aufführungen, die man gar nicht alle an einem Tag erleben kann.
Die Rücktour zurück nach Drag führt uns über ewig lange und schöne Landstraßen noch nach Oskarshamn, wo wir gegenüber des Fährhafens zu Abend essen. Es gibt, Tortillas, Burger, Lachs und Grillteller. Zwischendurch zieht Carina Clemens noch einen Zahn. Der Junge hat mittlerweile ein Zahnlücke vorne… hat Ähnlichkeiten mit der Fähre aus Gotland die just in diesem Moment anlegt und Autos und LKWs entlässt. Die Ladeluke ist ähnlich breit.
Zuhause angekommen erweitern wir noch unsere Faunaliste um den Punkt Rehe, die sich zwischen Gewächshaus und dem Kanal aufhalten. Glücklich und zufrieden fallen alle Kinder ins Bett. Die Eltern nach diesen Zeilen hier auch.
Aus de‘ Maus.

P.S.: Ich werde den Text morgen vielleicht aufgrund des fortgeschrittenen Abends nochmal Korrekturlesen und/oder ergänzen, falls ich was wichtiges vergessen habe. Aber Michel, Mattis, Glatzen-Per und Pippi haben mich doch ganz schön fertig gemacht. Würde mich nicht wundern, wenn ich heute Nacht im Traum noch Astrid Lindgren persönlich begegne und ihr für all die Geschichten danke und gratuliere.

Tag 11 – Montag, 14.08.23 – Umsonst gepaddelt

Der Morgen verläuft vom Prozedere und Zeitplan im Prinzip wie alle anderen Morgen auch. Anschließend sitzen, liegen, hüpfen wir im Sonnenschein auf unserem Steg und lassen mal wieder den Tag aus der Sonne tröpfeln. Das ist schön so. Im Laufe des Mittags kommt der Wunsch auf, nochmal auf dem Kalmar Campingplatz essen zu gehen. Das lässt sich prima mit einer Tour in „unserem“ Kanadier durchführen. Also geht es in des Nachbarn Keller und holen die gute MS Trapper raus. Im Regal liegen auch noch die passenden Stechpaddel. Die passen eher. Zunächst üben wir noch ein bisschen in den heimischen Gewässern. Da wir keine Schwimmwesten haben, werden wir Clemens eine Schaumstoffplatte auf den Rücken schnallen. Und für den unwahrscheinlichen Fall des Kenterns, werden wir auch noch das StandUpPaddlingBoard (in Zukunft nur noch SUP; Kackwort!) im Schleppverband hinter uns herziehen. Der Hosenträger zum Gürtel quasi. Und so machen sich Clemens, Pauline und ich am frühen Nachmittag auf zum ca. 3,5km südlich entfernt gelegenen Campingplatz. Der Weg führt uns zunächst durch den Drags Kanal. Der liegt nicht nur direkt angrenzend an unserem Grundstück, sondern ist auch Schwedens ältester Kanal. Da schau her! Er ist ca. 180 m lang, stammt aus dem 14. Jahrhundert und verbindet unseren Teil der Ostsee mit dem südlichen Teil, dem Kalmarsund. Findige Fischer und Ubootkapitäne werden sich irgendwann zu damaliger Zeit gedacht haben, dass eine gemeinschaftliche Aktion mit Hacke, Schüppe und Schubkarre durchaus mehr Sinn macht, als andauernd um die Halbinsel um Revsudden zu segeln und rudern. So ist dann der Kanal entstanden, auf dem wir heute dann in „südlichere Gewässer“ aufbrechen. Diesen zu finden ist allerdings gar nicht so einfach. An der schmalsten Stelle misst er vielleicht anderthalb, an der breitesten vielleicht drei Meter. Sowohl auf unserer Seite und vor allem an der südlichen Seite befindet sich die Einfahrt in den Kanal gut unter Büschen und Bäumen versteckt, weshalb wir sehr häufig Zeuge davon werden, dass Kanuten erstmal die Küste hin- und herkreuzen, bevor sie den Kanal entdecken. Wir stellen uns da heute geschickter an finden sofort rein. Sowohl auf der Hin- als auch auf der Rücktour. Klar, Heimvorteil.
Der Teil der Fahrt, der abseits des Kanals über die offene Ostsee führt, ist immer wieder von Stellen gespickt, an denen die Wassertiefe deutlich unter 2 m ist, weshalb wir häufig den Boden erkennen können. Manchmal müssen wir sogar aufpassen nicht auf Steinen aufzusetzen. Vorteil dabei, dass der Kanadier vermutlich keine 15 cm Tiefgang hat. Die Route zum Campingplatz lässt uns dabei selten weiter als 200-300 m vom Ufer entfernen.
Auf dem Hinweg packen wir, wie oben schon beschrieben, Clemens ins unsere Mitte. Ich paddel vorne, Pauline hinten und Clemens weiß ca. 50 Minuten lang, wie es besser geht, wie man am besten motiviert, wo es zwischen Trelleborg und Kalmar die besten Langusten am Hafen gibt und warum Syd Barret Pink Floyd vorzeitig verlassen hat. Kurz wird er still, als Pauline und er kurz vor der Ankunft die Plätze tauschen und er auch mal Paddeln muss. Die Ruhe hält nicht lang, weil er schon nach wenigen Schlägen mit dem Ruder bemerkt, wie anstrengend die ganze Geschichte ist und das Maulen beginnt. Mit dem ersten Fuß auf dem Strand hält der Mund mal wieder nicht still und gibt jede einzelne Welle und Quallenbegegnung auf dem Weg wieder. Den Rückweg will er dann aber trotzdem lieber auf dem Landweg zurücklegen.
Und dann der „Schock“: Hatten wir uns doch so auf die Fish ‘n Chips gefreut, eröffnet man uns, dass am gestrigen Sonntag die Küche das letzte Mal für diese Saison geöffnet hatte. Einen Tag zu spät! Argh! Ähnlich wie bei der Sommerbäckerei geht man hier langsam in den Wintermodus über. Die schlechte Nachricht musste für Carina und mich dann erstmal mit einem frischgezapften Bier runtergespült werden. Wir entschließen uns, die restlichen Sachen von gestern zu vergrillen. Darum machen wir uns ca. 45 Minuten später wieder zurück auf den Heimweg. Da wir diesmal Rückenwind haben und den Bordclown (= weniger Ballast) im Auto lassen konnten, sind wir ca. 15 Minuten schneller wieder zu Hause. Zwischdurch hält Pauline inne und weißt auf die unglaubliche Stille hin, die um uns herum und im Boot herrscht. Am Schreinerhaus machen wir uns den mittlerweile liebgewonnenen Schafkäse und Brot im Backofen und Salat, heizen den Grill an und holen Tisch und Stühle aus dem Gewächshaus wieder auf die Wiese. Gegen acht Uhr ist dann so weit alles durch, die Kinder (zumindest K2 und K3) liegen im Bett, die Küche ist fertig und die Sachen für morgen sind schon gepackt. Dann geht es nämlich schon früh ins ca. 2 Stunden entfernte Vimmerby zu Astrid Lindgren. Naja, zumindest in ihren Freizeitpark. Also… den Park, der ihre Geschichten nacherzählt. Inklusive Villa Kunterbunt und der Mattisburg. Und Bullerbü soll es glaube ich auch geben. Wir sind freudig gespannt.
Oh! Schon 22:00 Uhr. Ich muss jetzt auch ins Bett. Morgen werde ich keine Gelegenheit haben, so wie heute, mich auf den Sitzsack auf den Steg zu legen und ne Runde zu pennen. Also denn, bis dahin!

Nachsatz

Was ich am gestrigen Sonntag vergessen habe zu erwähnen: Nicht nur die Natur kennt keine Sonntage und Ruhezeiten. Die Schweden hier kennen das auch nicht. Und deswegen wird hier auch am Sonntag links und rechts unbedarft Rasen gemäht. Und zwei Bootsstege weiter wird der selbige mit der Stichsäge modifiziert. Uns stört das keines falls. Ganz im Gegenteil. Sollte es in Deutschland aus welchen Gründen auch immer mit der Brenn- und Schnitthholzmacherei nicht mehr funktionieren, werde ich nach Schweden auswandern. Und wenn ich mit dem Traktor am Samstagsmorgen um 08:00 Uhr hierhin fahren muss. 😉

Tag 10 – Sonntag, 13.08.23 – Teil II / Grillabend

Mein literarisches Pulver habe ich bereits heute morgen verschossen. Von daher jetzt noch die Kurzform des heutigen Tages.

Plan war: Um die Mittagszeit nach Kalmar, Eis essen, weitere Teile der Stadt besichtigen, Einkaufen (geht hier Sonntags bis 23 Uhr) und Grillen.

Daraus geworden ist: Prokrastination as its best. Irgendwann Deadline auf 14:00 Uhr Abfahrt gesetzt um dann pünktlich um 15:45 Uhr in die Stadt zu fahren. Ist sicherlich auch meine Schuld. Wollte Emil eine frische Pampers machen und bin anschließend so müde (Grund s. Teil I), dass ich mich neben ihn lege und einratze. Derweil vergnügt sich der Rest der Familie weiterhin am Steg. Der heutige ablandige Wind führt dazu, dass unser Gewässer zumindest in weiten Teilen der Ufernähe quasi quallenfrei ist. Und deswegen springen die Kinder auch das erste Mal ganz befreit ins Wasser. Ich bin ob der juvinilen Unbekümmertheit ein wenig neidisch. Zu verkopft, der Alte mit seinen Quallen. Zudem kommt es heute zu zwei Besuchen. Zum einen Hakan, der nette Hausbesitzer, der uns auf Nachfragen nicht nur seine Kanus (s. Beitrag gestern) überlässt, sondern auch noch die dazugehörigen Paddel aus dem Privatschuppen raussucht. Sehr nett.
Zudem kommt die alte Nachbarin von nebenan vorbei und wir kommen ins Gespräch. Ihr Großvater ist nebenan aufgewachsen und sie kennt noch die Familie, die unser Haus vor über hundert Jahren bewohnt hat. Unvorstellbar: Der ursprüngliche Teil unseres Ferienhauses umfasst heute ja nicht mehr als drei Räume. Eingangsflur, Küche und Esszimmer/Stube. Die drei Kinder der „Erstbezieher“ hatten Ihren Bereich unter dem Dach und war nicht mehr als ein Kriechboden, der über eine Leiter zu erreichen war. Ohne Dämmung. Ohne alles. Bett (Strohlager?) unter den Dachpfannen. Im Sommer sicherlich zu warm und im Winter schweinekalt. Solche Verhältnisse von damals kann man sich heute mit unseren KfW-gedämmten Edelbuden gar nicht mehr vorstellen.
Letztlich auch der Grund, warum unsere alte Nachbarin hier nur im Zeitraum Juni bis September wohnt und ansonsten in Stockholm lebt. Obwohl nördlicher gelegen, ist es dort im Winter wärmer als hier. Gerade der Bereich hier an der Ostsee ist von winterlichen Nordwinden betroffen.
Ok… wo war ich stehengeblieben? Kalmar. Korrekt. Also am Nachmittag komplette Mannschaft in den Bus gepackt und ab ins Stadtzentrum. Bisschen rumlaufen, Eis kaufen, am Hafen rumlungern und zusehen, wie Pauline Clemens ’ne blutige Nase schlägt. Im örtlichen ICA Megastore von der schieren Menge an Konsumgütern erschlagen werden, trotzdem alles, was wir brauchen und noch viel mehr einkaufen und wieder zurückfahren. Weil es mittlerweile sieben Uhr am Abend geworden ist, schnell den Grill anschmeißen, Emil versorgen, auspacken, einräumen, vorbereiten, umbauen, raustragen, grillieren. Wir essen heute abend im Gewächshaus. Das ist neu für uns und gar nicht mal so schlecht. Es ist hell, es ist windgeschützt, aber leider voller Insekten. Am Ende beeilen wir uns, um nicht Opfer derer zu werden, spülen ab, machen die Kinder bettfertig und kümmern uns anschließend um die eingefrorene Flasche Wein (Dipositionsfehler vom Vortag).
Zack!
Tag zuende.
Ich kehre die runtergefallenen Buchstaben und Silben zusammen u’d ge‘e au’h i’s Be‘t. Nacht z samm!

Tag 10 – Sonntag, 13.08.23 – Teil I / Morgenstimmung

Untertitel: Der Versuch, eine phantastische Morgenstimmung einzufangen.
Ach, was soll man davon halten? Irgendwie ist die Nacht um 04:00 Uhr rum. Emil meckert ein bisschen und ich lagere ihn um. Dann noch kurz auf Toilette. Nicht selten, so auch heute, ist damit die Nachtruhe gelaufen. Ich lege mich zurück ins Bett, versuche vergeblich wieder einzuschlafen und nehme mir letztendlich das Telefon in die Hand, um zu gucken, ob in der Welt schon irgendwas interessantes passiert ist. Schon klar, dass dem Schlaf damit der Todesstoß versetzt wird. Nach völlig sinnbefreitem Rumscrollen auf den Seiten des Netzes entscheide ich mich gegen viertel nach fünf dazu, Kaffee zu kochen. Und gleichzeitig kommt mir die Idee, den dann unten am Steg zu trinken. Carina, die mich aus einem halbgeöffneten Augen anblinzelt, bekomme ich nicht dazu überredet mitzukommen. Klar. Wenn ich schlaftrunkend unter einer gemütlichen Decke liege, könnte ich mich auch nicht aufraffen, das Bett zu verlassen, mich anzuziehen und vor das Haus zu treten. Also schmeiß ich die giftgrüne Moccamaster an, ziehe mir Hose und Hoodie an und befinde mich kurze Zeit später mit einer frischen Tasse Kaffee auf dem Weg runter zum Steg. Ich wundere mich kurz. Es hat heute Nacht wohl geregnet, denn alles ist feuchter als es vom Tau her rühren könnte. Zum Glück habe ich noch eine alte Papprolle in meiner Hose (klar, schleppt man ja immer so mit sich rum!) mit der ich einen Stuhl grob trocknen kann. Und so sitze ich nun auf einem Stuhl auf einem Steg an einem Meer mit einem Kaffee und genieße die Ruhe. Wobei, hahaha, Ruhe herrscht ja gar nicht! Vor mir liegt die glatte Ostsee, am Himmel kleinste Schäfchenwolken, klare Sicht und die Sonne zieht sich gerade rechts von mir im Osten über den Horizont. Menschliche Geräuschquellen sind tatsächlich nicht vorhanden. Keine Autos, kein Trecker, kein Bagger, wie gestern. Kein Flugzeug, Hubschrauber, Motorboot. Nix. Äußerst idyllisch!
Aber: Die Natur ist schon da. Und wach. Natur kennt keinen Sonntag, keine Ruhezeiten. Auf und an der See herrscht schon ein buntes und lautstarkes Treiben. Am leisesten sind da noch die Fische. Die sind auch schon sehr aktiv und machen Luftsprünge. Ob vor Freude oder aufgrund der tieffliegenden Mücken weiß ich jetzt nicht. Ich hoffe auf ersteres, denke aber letzteres. Und ansonsten sind hier Vögel. Viele und unterschiedliche Vögel. In mannigfaltiger Gruppengröße. Hinter mir ist seit Tagen ein einzelner Specht zu hören. Kein aufdringliches Höhlenbaugehämmer. Eher so ein leises Klopfen an der Tür nach dem Motto „Hallo Familie Made! Lust auf ein gemeinsames Frühstück?“. Okay. Fische und Specht würden den Bereich „Ruhe“ abdecken. Aber dann sind da noch mehrere Gruppen von Komoranen, Gänsen und Krähen. Während draußen auf dem Wasser mehrere Ansammlungen von nicht zuordnungsfähigen Vögeln ruhig ihre Bahnen ziehen, sitzen ca. 100m weiter die zuvor genannten Kameraden und veranstalten einen frühmorgendlichen Gospelgottesdienst mit großem „Hallo“ und „Praise the lord!“ Dauerndes Geschnatter und Losfliegen einzelner Kleingruppen. Dazu eine Gruppe Krähen auf Dach und Schornstein eines benachbarten Hauses, die sich dem Gegacker nach schmutzige Witze erzählen oder sich über die Komorane lustig machen, da sie immer „so doof mitti aufen Flügel da auffe Steine sitze! Krahahaha!“. Immer wieder ziehen Formationen von schnatternden Gänse über mir her. Vielleicht sind das Flugschulen, die Kurse für Winterflüge anbieten. Vorne und hinten jeweils ein Fluglehrer, welche Instruktionen wie „Achtung! Bitte auf den strömungstechnisch sinnvollen Versatz zur Vordergans achten, Leute! Ihr wollt doch nicht schon Höhe Osnabrück schlapp machen! Da sind die Füchse jedes Jahr auf neue bisswütig und ausgehungert! Auf! Auf! Konzentration!“
Dann sind da noch unzählige Schwalben, die auf dem Fang von Mücken knapp über das Wasser gleiten. Still, aber sehr schnell und durcheinander. Und immer wieder einzelne Enten, die die Textzeile „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh‘ “ umsetzen.
Unter‘m Strich ein besonderer Moment für den ich dankbar bin, ihn erleben zu dürfen. Ich winke dem immer noch zelebrierten Gottetsdienst zu, sage dem Specht „Bis später!“ und gehe zurück ins Haus. Kaffee ist alle.

Tag 9 – Samstag, 12.08.23 – Viel wenig

Tage wie diesen kann man gerne auch schonmal damit zusammenfassen, dass man im Prinzip nix gemacht und erlebt hat. So meine erste Zusammenfassung des heutigen Tages. Aber der Reihe nach.
Der Tag begann zunächst damit, dass ich nicht -wie sonst- gegen sechs Uhr wach wurde und mich um Emil und Kaffee gekümmert habe, sondern, dass dies heute von Carina übernommen wurde und ich seltsamerweise bis 07:20 geschlafen habe. Quasi wie Emil. Die Paddler- und Fahrradfahrerei von gestern haben doch ihre Spuren hinterlassen. Zwei Kaffee und eine Dusche später breche ich auf nach Rockneby um Brötchen und weitere Kleinigkeiten zu kaufen. Gefrühstückt wird wie gestern bei schönem Sonnenschein hinterm Haus. Währenddessen packen Urs und Natalie von nebenan ihre Koffer, denn sie werden heute weiter Richtung Westküste fahren. Der Abschied von Urlaubsbekanntschaften sollte rein theoretisch ja nicht schwer fallen, da man ja kaum Zeit miteinander verbracht hat. Die wenigen guten Momente allerdings führen zu einer gewissen Wehmut. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in naher oder ferner Zukunft nochmal wiedersieht, ist eher gering. Nachdem ich Urs bzw. beiden noch beim Begleichen der Stromrechnung geholfen habe, machen sie sich auch auf den Weg. Das Problem war, dass die beiden die Reise komplett über ein Reisebüro gebucht haben und der Meinung waren, der Strom wäre bereits inbegriffen gewesen. Richtig wäre allerdings gewesen, dass sie bei der Anreise hätten den Zählerstand ablesen müssen. So wie wir es gemacht haben. Da wir zwei Zähler im „Kasten“ haben, habe ich glücklicherweise beide Stände dokumentiert. Es ist nämlich so, dass das Grundstück einen Hauptzähler für beide Häuser hat und jeweils einen eigenen „Unterzähler“ im jeweiligen Haus. So konnte ich durch geschickte Subtraktion deren Verbrauch ermitteln. Deren Zähler hing im Keller. Da war nur bisher keiner von beiden gewesen. Denn dazu musste man einmal ums Haus, in den Keller und dort das Räumchen mit dem Zähler finden. Diese Info war in dem Handbuch zum Ferienhaus zwar zu finden, aber nicht wirklich offensichtlich. Auf diese Tour haben wir allerdings den unverschlossenen Keller gefunden, in dem ein Zweier-Kajak und ein Kanu lagern. Beide in Tippitoppi-Qualität. Und wenn morgen niemand spontan ins Nachbarhaus einzieht, werde ich mir eins der beiden Torpedos ausleihen. Meine eigene Interpretation des Jedermannsrechts hier in Schweden.
Danach haben wir uns eigentlich nur noch zwischen Ostsee und Steg und Haus bewegt. Zum Nachmittagskaffee haben Pauline und Carina leckere Waffeln gebacken (weil wegen Waffeleisen im Inventar), die wir auf dem Steg verspeist haben. Die Vanillesoße zum Reindippen ist ein wenig aus der Not geboren, aber bei zukünftigen Waffeln ein „Must Have“! Zwischendurch gab es noch einen etwas unglücklichen Zwischenfall, als ich nach einem kleinen Paddelausflug mit dem Board zu blöd war, vernünftig am Steg anzulegen und mit panischen Schreien ins quallenverseuchte Wasser gefallen bin. Dabei habe ich leider meine Brille verloren, die ich vorher vergessen hatte auszuziehen. Erst am Abend bei günstigeren Lichtverhältnissen und unter Zuhilfenahme einer Taschenlampe konnte ich die Sehhilfe am Fuße des Stegs wiederfinden. Das sollte mir eine Lehre gewesen sein.
Von deutlich glücklicherem Verlauf ist Paulines und meine Paddeltour zu einer weiteren, wenn auch näheren Insel vor unserer Küste. Auch Clemens, der anfänglich noch recht skeptisch dem SUP gegenüberstand, hat sich heute drauf getraut und mittlerweile „Lunte gelutscht“ (wie mein Kollege M.Cassel zu sagen pflegt). Er ist im Laufe des Nachmittags kaum noch davon wegzubewegen und hat auch schon selber kleinere Abstecher zum vorgelagerten Felsen und einmal um unsere Hausinsel (30m Abstand zum Ufer) gemacht. Er steht recht stabil auf dem Board und ist am heutigen Tage nicht runtergefallen.
Eigentlich hatten wir Grillen für heute Abend vorgesehen. Weil aber irgendwie keiner Lust hatte, nochmal aufzubrechen und Fleisch, etc. dafür zu besorgen, haben wir auf unseren Notnagel TK-Pizza zurückgegriffen und mit Salat diesmal vor dem Haus (Frühstück -> hinter dem Haus) in einer herrlichen Sommerabendstimmung gegessen. Auch dieser Moment war irgendwie besonders.
Und so findet der Tag bei diesen Zeilen wieder ein Ende. Und wenn ich beim Schreiben die kleinen und großen Momente des Tages Revue passieren lasse, stelle ich fest, dass die Aussage, man habe heute „nix gemacht“ oder habe „nix erlebt“ absolut falsch wäre und diesem Tage nicht gerecht würde. So viele lustige, spannende, scheinbar quallenbedingte lebensbedrohliche Situationen die durch- und erlebt wurden. Vielleicht ist das etwas, was man sich aus dem Urlaub zurück in den Alltag mitnehmen muss. Irgendwie ist doch jeder Tag mit großen und kleinen großartigen und besonderen Momenten gespickt. Man muss ihnen nur den Platz und vor allem die Aufmersamkeit zuteil werden lassen. Und dann ist am Ende jeder einzelne Tag ein besonderer. Auch im ach-gottchen-so-tristen Alltag.

Tag 8 – Freitag, 11.08.23 – Wettertechnischer Urlaubsneubeginn

Die ersten Zeilen des Tages schreibe ich, wie fast jeden Tag, beim ersten Kaffee in der Küche. Heute ist es was besonderes, weil das erste Mal seit Ankunft die pralle Sonne durchs Küchenfenster scheint. Direkt eine andere Stimmung. Wiese, Garten, Steg und Meer im frühen Sonnenlicht wirken direkt nochmal viel schöner.

Wir haben viertel vor sieben und Emil ist seit einer Stunde wach. So wie ich auch. Carina liegt allerdings auch schon wach im Bett und liest in ihrem Buch. Ich muss direkt mal einen Brei für Emil machen. Den fordert er nämlich eindringlich ein. Wird gemacht, Chef!
Da heute Freitag ist, entscheide ich mich, mit dem Fahrrad zur Sommerbäckerei zu fahren um Brötchen zu holen. Sind etwas um die drei Kilometer und in ca. 15 entspannten Minuten pro Strecke zu schaffen. Verwundert stelle ich allerdings fest, dass die Bäckerei nicht geöffnet hat. Nun doch nur Samstag und Sonntag? Am Abend übersetze ich mir die Öffnungszeiten auf der schwedischen Homepage und muss mit Erschrecken feststellen, dass sie leider nur von Mittsommer bis zum ersten Augustwochenende geöffnet hat. Das ist sehr schade und nur der Gedanke daran, dass wir noch den allerletzten Tag genutzt haben tröstet ein wenig.
Das Wetter ist heute morgen wirklich so schön (wenn auch noch nicht sehr warm), dass wir spontan das Frühstück auf die Terrasse verlegen.
Die geplante Radtour von gestern (wir erinnern uns) verlegen wir dann anschließend auch nochmal auf den Zeitraum nach Mittag, weil es die Kinder nun doch wieder Richtung Steg und ihrer Quallenjagd zieht. Da Wind und Wellen mitspielen, soll das StandUpPaddle auch wieder zum Einsatz kommen. Der Plan, mal weiter rauszufahren, zwingt mich dazu, auf Nummer sicher zu gehen und statt Jeans mal eine Badehose anzuziehen. Pauline und mir schwebt die vorgelagerte Insel in ca. 800 m Entfernung vor. Beim ersten halbherzigen Versuch wollen wir auf halber Strecke das Gefährt um 180 Grad drehen um zu schauen, wie weit wir vom Ufer entfernt sind. Das Vorhaben endet mit einem Sturz ins Wasser. Da ich aus Gesundheitsgründen (arktische Kälte der Luft) noch einen Hoodie trage und der Sturzfrust so tief sitzt, entscheiden wir uns zur Rückkehr ans Ufer. Dort trocknen wir uns ab, ich tausche die Oberbekleidung und wenige Minuten später packt uns der Ehrgeiz erneut und wir starten zum zweiten Versuch. Und diesmal klappt es sogar! Unser Expeditionsmut und Rücksicht der Natur gegenüber lässt uns -statt die Insel zu betreten- diese umrunden. Ca. 40 Minuten und 0,91 Seemeilen (also 1,7 km) nach dem Start in eine Reise mit ungewissem Ausgang legen wir stolz und vor allem trocken wieder an unserem heimischen Steg an. Die Eingeborenen begrüßen uns mit Blumenketten und flippen bei dem Tausch von Glasmurmeln gegen eine Tasse Kaffee schier aus.
Letzter Satz entspricht zwar keineswegs den Tatsachen, liest sich aber in einem Reisebericht umso besser.
Die Schlange von gestern zeigt sich auch wieder an der nahegelegenen Mauer und wir taufen sie auf „Ringel Natterson“, womit auch gleich die Art festgelegt wäre.
Zur späten Mittagszeit brechen wir unter deutlich besseren Vorzeichen zu dem Bikepark mit unseren Fahrrädern auf. Um hier nochmal einen Überblick über den vorhandenen Fuhrpark zu bieten: Clemens auf seinem 7-Gang-woom-Bike, Pauline auf unserem alten Trekkingrad, Carina und ich auf den E-Bikes, bei mir anhängend Emil im Reha-Buggy. Die vorliegenden Navigations-Apps schlagen ähnliche Strecken mit einer Gesamtlänge von ca. 40 km vor und so zögern wir nicht und machen uns auf den Weg. Dieser führt uns zunächst auf der Hauptstraße aus dem Ort raus und von da an über alle erdenklichen Wege, Straßen und Pfade. Von „ordentlich geschottert“ über Rüttelpiste, Steg im Moor und rennsteigähnlichem Wanderpfad, Umwegen aufgrund umgefallener Bäume und Teerstraßen. Wohlgemerkt alles mit Clemens auf seinem Rädchen und Emil im Reha-Buggy. Stellenweise ein Himmmelfahrtskommando! Vorbei an kleinen Siedlungen oder einzelnen Häusern, Bauernhöfen, Teichen, Seen und Meer, Feld, Wiese, Wald und Steinmauern (muss erwähnt werden weil quasi in unendlicher Länge vorhanden). Am Bikepark angekommen wird dann Rast gemacht und anschließend die Strecke erkundet. Wir haben irgendwann das Gefühl, das Clemens erste Erschöpfungsanzeichen zeigt und entschließen uns, den Heimweg anzutreten. Dieser führt uns diesmal aber eher über gut ausgebaute Feld- und Waldwege und lässt uns deutlich schneller vorankommen. Weil wir uns, wie jeden Tag, auf zwei Mahlzeiten beschränken, entschließen wir, einen nahegelegenen Campingplatz aufzusuchen. Dort gibt es ein angegliedertes Restaurant. Und da es schon fast auf dem Weg liegt, gibt es quasi keine Gegenstimme aus der Truppe. Bei der Ankunft bemerken Carina und ich, dass wir 2011 genau hier schonmal mit dem Wohnmobil gecampt haben. Das Essen ist vorzüglich. Pizza für Pauline, Burger mit Pommes für Clemens und jeweils Fish ´n Chips für Carina und mich. Kurz nach der Abfahrt zur letzen Etappe stellt Clemens dann trocken fest, „dass er jetzt wieder soviel Energie wie am Ampfang“ hätte. Eine Wiederholung der Tour verschieben wir allerdings auf einen anderen Tag. Nach dem Rezept für den Burger werde ich mich morgen mal schlau machen. Scheint gut zu sein.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir bei bester Laune dann wieder unser Schreinerhaus in Drag. Von da an wird nur noch das Standardprogramm (Zähneputzen, Schlafanzug, Medikamente für Emil) runtergespult und der Tag findet langsam ein erschöpftes, aber zufriedenes und glückliches Ende. Für mich, nachdem ich diese Zeilen noch getippt habe. Gute Nacht!

Tag 7 – Donnerstag, 10.08.23 – Reinfall ins Wasser

Emil hatte heute eine durchwachsene Nacht und hat viel gemeckert. Der Zustand sollte sich im Laufe des Tages auch nicht grundlegend ändern. Zudem isst er heute auch schlechter als sonst die Tage. Aber kackt ganz ordentlich. Naja. Zumindest etwas. :-/

Aus diesem Grund kann ich auch nicht mehr ab vier Uhr schlafen, hole Emil gegen 05:00 Uhr in unser Bett und steh mit ihm letztlich gegen halb sechs auf. Wir kochen uns einen ordentlichen Kaffee, hören P4, den örtlichen Radiosender, schauen Videos und denken uns lustige Sachen aus. Nebenbei fülle ich Emils Medikamentendöschen auf, was uns daran erinnert, dass dies eine der letzten Aktionen vor einer Woche zu Hause war. Heißt, dass wir morgen schon oder erst eine Woche unterwegs sind. Für‘s Frühstück hole ich im Rocknebyer ICA wieder Brötchen und traue mich die alte Kassiererin auf Schwedisch anzusprechen und frage sie erstmal, ob sie englisch spricht, weil ich ja eigentlich kein Schwedisch kann. Kann sie allerdings nicht, weshalb mir ein ebenfalls älterer Herr zu Seite springt und simultan übersetzt. Das hat mich gefreut und wieder mal bewiesen, dass man sich auch einfach mal aus der eigenen Comfortzone bewegen muss. Ist nicht immer einfach, führt aber meistens zu angenehmen Erfahrungen. Anlass war der Bon aus dem Pfandautomaten. Hier hat an die Möglichkeit, sich das Pfand ausbezahlen zu lassen oder es einem guten Zweck zu spenden. Hier ging das Pfand an den örtlichen Fußballverein. So habe ich das zumindest interpretiert.

Für heute besteht zunächst noch kein weiterer Plan, weshalb wir eine Fahrradtour ins Auge fassen. Im nördlichen Teil Kalmars (also südlich von uns) befindet sich ein Dirttrack. Also die naturnahere Variante eines Pumptracks. Laut Google Maps und Komoot müssten es irgendwas um die 15 km hin und demnach auch wieder zurück sein. Weil wir uns aber nicht wirklich aufraffen können, verbringen wir den weiteren Vormittag und Mittag noch im Haus und dösen so vor uns hin. Die Kinder beglücken nach Mittag den buchlesenden Urs auf dem Steg mit ihrer lautstarken Quallensammlerei. Als wir dann gegen halb zwei Richtung Kalmar aufbrechen, setzt noch während wir uns in Drag befinden der Regen ein. Am Dorfrand ist er bereits so heftig, dass wir unter einer Eiche Schutz suchen. Schnell wird klar, dass ein Rückzug wohl angebrachter wäre. Die Rückfahrt dauert gerade nur 5 Minuten, führt aber dazu, dass wir fast vollständig durchnässt zu Hause ankommen und die Räder im Gewächshaus und Schuppen parken. Wir trocknen uns und kochen Kaffee und warten einfach auf schöneres Wetter. Also erstmal auf morgen. Am Nachmittag fahren Pauline und ich nochmal in den Supermarkt und kaufen die restlichen Dinge für Wraps ein. Das und noch ein paar Dinge dazu. Und so sitzen wir abends wieder in unserer kleinen gemütlichen Küche beisamm‘ und essen mexikanisches Essen. Auch schön: Die Eltern machen im Urlaub alles für die Kinder (was so eher normal ist), die Kinder spülen dafür im Gegenzug das Geschirr mangels einer Spülmaschine. Emil ist am Abend deutlich besser gelaunt. Und das ist schön.

Am Steg haben die Kinder am Nachmittag das lebende Exemplar einer ordentlichen Schlange entdeckt. Google schlägt uns irgendwas zwischen Ringelnatter (unkritisch) und Kreuzotter (giftig) vor. Wir sind gewarnt und verhalten uns entsprechend vorsichtiger in Zukunft. Überhaupt ist, was die Tierwelt angeht, hier einiges geboten. Neben Möwen, Komoranen, Schwänen und Grauweiher, schwimmt in regelmäßigen Abständen auch befelltes Tier am Steg vorbei. Unsere Vermutung geht Richtung kleinem Seeotter. Sehr pusierlich.

Und dann soll ich noch schreiben, dass Clemens und Pauline gerade spülen und Clemens ganz komisch abtrocknet und einen Deckel hat fallen gelassen.

Tag 6 – Mittwoch, 09.08.23 – Steggespräche und Elchpark

Länger als sechs, halb sieben kann Papa nicht schlafen. Nicht heute, nicht gestern, die ganze Zeit nicht. Das ist aber nicht weiter schlimm, da wir auch nicht wirklich spät ins Bett gehen. Die mangelnden Verdunkelungsmöglichkeiten lassen ein längeres Ausschlafen vermutlich auch gar nicht zu. Und so verziehe ich mich gerne in die Küche, schmeiße schonmal den Moccamaster und das schwedische Radio an und spüle einen Teil des gestrigen Geschirrs. Nebenbei zeichne ich Version II eines Tiny Offices. Draußen ist es noch usselig. Bedeckt und einsetzender Nieselregen ab halb neun. Der Wind lässt die Kiefern und Eichen ums Haus noch rauschen. Zwei Schwäne ziehen mit ihren Jungen am Steg vorbei. Idyllisch ist es schon. Gestern haben wir rausgefunden, dass der älteste Teil des Ferienhauses wohl aus dem Anfang des 20. Jahrhundert stammt. Heißt also, dass der Teil des Hauses mit der Stube und der Küche schon gute 100 bis 120 Jahre auf dem Buckel hat. Vermutlich diente es nicht immer als Ferienhaus und könnte, wenn es könnte, einige Geschichten erzählen. An der alten Eingangstüre habe ich mir gestern versehentlich den Kopf gestoßen, weil diese vielleicht nur einmetersiebzig hoch ist. Lässt darauf schließen, dass die Durchschnittsgröße des gemeinen Schweden in den letzten hundert Jahren um ca. 30-40 cm zugenommen hat. So zumindest meine anthropologische Vermutung.

Im Laufe des späten Vormittags befinden sich Pauline und Clemens wieder beim Quallenfischen auf dem Steg. Die Nachbarn Urs und Nathalie sitzen ebenfalls dort mit Kaffee und so gesellen wir uns auch noch dazu. Gute Gespräche und fast zweieinhalb Stunden später beschließen wir, uns auf den Weg zum Elchpark Nybro zu machen. Obwohl es dort immer wieder regnet haben alle ihren Spaß. Wir kommen den Elchen auch verdammt nah und können sie auch mit Birkenzweigen füttern. Schon imposant mit so einem Riesen auf Tuchfühlung zu gehen. Vor allem, wenn sie so schöne Namen wie Emil, Karl-Philip, Astrid, Karlson und Pippi haben. Wir sitzen dabei in einer Art Bus auf zwei Rädern, davon drei Stück hintereinander, gezogen von einem MF (Traktor). Zuhause gibt es dann Bratkartoffeln mit Spinat und Spiegelei.

Tag 5 – Dienstag, 08.08.23 – Wind, nix, nix und kapitalistische Leibesübungen

Am Morgen herrscht noch heftiger Wind. Einige Teile Schwedens haben mit dem durch das Tief „Hans“ verursachten Unwettern zu kämpfen gehabt. Bereiche Malmös waren noch einige Zeit ohne Strom, es gab Überschwemmungen und sogar ein Zugunfall durch einen weggeschwemmten Bahndamm. Gemessen an dem sind wir die letzten Tage hier wirklich glimpflich davon gekommen. Via WhatsApp erreichen uns heute mehrere Nachfragen, ob es uns gut geht. Ich hole wieder Brötchen im ICA im nächsten Ort Rockneby, die heute deutlich frischer sind als gestern. Nach dem Frühstück kommen wir noch nicht so wirklich in die Gänge. Warum auch? Es gibt keinen Plan und auch kein passendes Wetter. Wir spielen die Partie Monopoly von vorgestern zu Ende bzw. erklären Pauline zur Gewinnerin, da sie mit Ihren Hotels es schafft uns permanent am Existenzminimum (und teils weit darunter) zu halten. Zwischendurch schaut der Nachbar Urs vorbei und leiht sich unseren Fön. Deren Ferienhaus ist so ziemlich mit nichts ausgestattet. Weder Bettwäsche, noch Spülsachen, noch irgendwas. Eine Waschmaschine ist ebenfalls nicht im Haus, weshalb kurzerhand noch Unterhosen gekauft werden müssen. Nicht ausreichende Beleuchtung kann vielleicht noch der oben erwähnten Hyggeligkeit zugeschrieben werden, nervt aber trotzdem ein bisschen.

Die.

Nicht uns.

Aber auch hier ist es echt duster. Ohne Taschenlampe findet man in Emils Schubladenschrank nicht viel.

Am Nachmittag bewegen wir uns doch noch mal aus dem Haus und suchen einen Skatepark und Spielplatz im nördlichen Kalmar auf. Leider gefällt dieser unseren beiden nicht wirklich, weshalb wir auch relativ schnell wieder den Heimweg antreten. Die Entscheidung bzgl. Abendessen fällt heute auf die schwedische Fastfoodkette „MAX“. Bestellung erfolgt per Display und glücklicherweise in Ruhe, da wir und die Bedienung in Anbetracht der Variantenvielfalt sonst vermutlich verzweifelt wären. Essen war jetzt so lala bis OK. Aber zumindest sättigend. Den frühen Abend wollten wir ob der nun deutlich stärker vorhandenen Sonne und des ausbleibenden Windes mit Wein und Brei und Quallenfang am Steg verbringen. Als Urs und Natalie von Ihrem Besuch des nahegelegenen Elchparks noch dazustoßen ergibt sich ein gutes Gespräch, welches uns auch nicht durch einen kurzen Regenschauer abbrechen lässt. Zwischendurch rette ich noch per StandUpPaddle und mit vollständiger Montur einen Kescher vor dem Verschlingen durch die Ostsee.

Gegen viertel nach neun kehrt nun langsam Ruhe ins Schreinerhaus ein und wir lassen den Tag 5 unseres Urlaubs bei einer leckeren Dose Hachenburger ausklingen.