Ich liege auf meiner linken Seite.
Geht nicht.
Drehe mich auf die rechte Seite.
Geht auch nicht.
Ich drehe mich auf den Rücken und unterdrücke einen Schrei.
Geht gar nicht.
War meine größte Sorge am gestrigen Abend, von Mücken zerstochen zu werden, merke ich heute morgen, dass eine falsche Schlafensunterlage deutlich schmerzhafter sein kann als eine biblische Mückenplage… Oder waren es damals Heuschrecken? Egal, irgendwas mit Insekten. Ich fühle mich heute morgen nicht, als ob ich einen Meteoritenschauer der Perseiden gesehen hätte, sondern als wäre ich in einen solchen geraten. Im Gegensatz zu gestern ist die Nacht heute schon gegen halb sechs rum. Und so schön der Blick in den Nachthimmel sein kann, es macht keinen Spaß, wenn der Rücken dermaßen dabei schmerzt. Erst nach der Einnahme von Ibuprofen lässt die Pein nach und ermöglicht ein normales Tagesgeschehen. So schreibe ich die ersten dieser Zeilen kurz nach dem Morgengrauen auf der Terrasse bei einer heißen Tasse Kaffee und der Unterstützung von Emil. Der kann nämlich auch nicht mehr schlafen. Nach den letzten guten Nächten vermuten wir, dass er seinen Bruder vermisste, mit dem er die Nächte zuvor das Hochbett geteilt hat. Alles im Bereich des Möglichen. Vielleicht bringt die nächste Nacht ein wenig Licht ins Dunkel und lässt uns Emil ein bisschen mehr verstehen.
Clemens liegt derweil noch unter dem freien Himmel und schläft weiterhin tief und fest.
Nach dem Frühstück machen wir uns heute das erste Mal per Fahrrad auf den Weg Richtung Strand. Das Wetter ist jetzt nicht gerade so dolle, aber bei Temperaturen von um die 23°C natürlich ideal um mit dem Fiets zu fahren.
Die Strecke führt durch Wiesen und Felder der doch ansonsten sehr agrarindustriell geprägten zeeländischen Umgebung, vorbei direkt am Veerse Meer, mit seinen Segelbooten und Yachten und durch kleinere und größere Siedlungen, so wie dem Vakantiepark De Shotsman mit seiner angegliederten gleichnamigen Brasserie. Wir genießen einen kurzen Zwischenstop bei Radler, Kaffee und Eistee, während sich Clemens auf dem nahegelegenen Spielplatz austobt. Fahrradfahren alleine macht wohl nicht ausreichend müde. Vorher mussten wir einen kleinen Zwischenstop in Kamperland machen um einen kurzen Regenschauer vorbeiziehen zu lassen.
Am Strand verbringen wir vielleicht eine Stunde. Eigentlich schade, denn mit den oben bereits genannten 23°C befinde ich mich mitten in meiner Komfortzone. Und auf dem Strand tummeln sich vielleicht nur 20 Prozent der Leute, die sich hier die letzten Tage versammelt haben. Leider naht gerade Regen, der uns schon einmal auf der Hintour ereilte. Auch hier am Strand nieselt es immer wieder ein wenig. Da das Mittagessen noch offen und das Frühstück bereits längst vergessen und verdaut ist, wollen wir heute mittag mal so richtige niederländische Friteusenküche genießen. Und was bietet sich da ehesten an? Richtig, der kleine Imbiss hinterm Deich mit der großen Karte. Fritiertes bis 20:00 Uhr, Softeis bis 21:00 Uhr. Check.
Bestellt werden zwei Cheeseburger, ein Chickenburger, eine große Portion Pommes (Frietjes) mit einem Konglomerat der niederländischen Saucen- und Zutatenküche, so wie einer Schüssel mit Chicken Stripes (Hähnchenfleisch, dessen Verortung am Hühnerleib wir nicht weiter hinterfragen). 36€ für ne Frittenbude sicherlich kein Schnapper, aber im Hinblick auf die letzten Tage und den nicht umgesetzten Restaurantbesuchen einfach mal ein „Gönn Dir!“ wert. Die zuvor am Strand hinterlassenen Fahrräder holen wir anschließend, satteln die Hühner und machen uns auf den Weg heim Richtung Kortgene. Rücktour geht im Uhrzeigersinn weiter über die Inselgemeinde Noord-Beveland. Hauptsächlich über freies Feld und entlang schöner Alleen. Wir sehen die Tour auch als Test für eine zukünftige Umrundung des Veerse Meers. Die 14+18=32 km haben meinem Akku ca. 20-25% Energie entzogen, was mit Emil im Anhänger/Reha-Buggy vollkommen in Ordnung ist. Komoot hat mir übrigens, nachdem ich die Route geplant habe, noch eine alternative Route vorschlagen wollen mit weniger Steigung.
Weniger Steigung.
In Holland.
Da muss ich einmal kräftig in mein Smartphone lachen.
Die einzigen bemerkbaren (ungleich „bemerkenswerten“) Steigungen sind die, die man auf einen oder von einem der vielen Deiche hoch- oder runterradelt. Vor einer Abfahrt wird sogar mit dem Hinweis „Steil!“ gewarnt. Ich will mal so sagen: Die Hofeinfahrt neben unserem Haus in der Schillerstraße hat sicherlich die doppelte Steigung. Es bestand also zu keiner Zeit eine Gefahr. Aber auch leider keine Möglichkeit mal Schwung zu holen und rollen zu lassen. Also alles weiter auf Stufe eco und trampeln, trampeln, trampeln. Zu Hause angekommen zerfällt die Familie erstmal in ihre Einzelteile und jeder geht einer selbstgewählten Beschäftigung nach. Clemens isst Vla und daddelt auf der Switch, Carina sitzt auf der Gartencouch und liest in ihrem Buch, das Pubertier pubertiert mit ihrem Smartphone in ihrer Prinzessinen-Suite, Emil schaut sich wahlweise die Klinker oder die Bäume an und ich schreibe an diesen Zeilen hier. Irgendwann stößt der Nachbarsjunge Luke dazu und die Racker verziehen sich auf die Wiese zum Kicken. Und nachdem sich das Pubertier ein Müsli einverleibt hat, liefert es sich mit Carina ein heiteres Federballspiel auf der von Clemens und Luke vereinnahmten Wiese.
Da die kalorienbewusste Sterne-Küche von heute mittag noch allen im Magen liegt, fällt einstimmig der Beschluss, dass es heute abend -wenn überhaupt- nur Aufbackbrötchen mit Wurstresten gibt. Morgen geht es nach Goes [´chu:hs] um die bereits ausgedünnten Lebensmittelvorräte wieder aufzufüllen. Vielleicht investieren wir dort noch in eine Kühltasche und -akkus und eine Handyhalterung für‘s Fahrrad.
Die Kühltasche könnte alsbald schon an Relevanz gewinnen, da ich unserem Strandnachbarn Christian mehrere Bier schulde. Als wir heute nämlich an unsere Strandbude kamen, befand sich im Inneren eine Botschaft von ihm an uns. Bei unserer gestrigen Abreise haben wir wohl vergessen (oder es nicht richtig durchgeführt) die Tür abzuschließen und er hat den Strandbudenbesitzer gebeten, dies zu erledigen. Ich sage ja immer: Es geht ja nichts über gute Nachbarschaft. Das gilt für zu Hause, wo Helene die Blumen gießt und Thomas die Tonnen rausstellt (als Urlaubsvertretung für Jürgen) als auch im Urlaub, wo man gegenseitig ein Auge auf die Strandbude wirft.
Der Abend zerfasert in einer Mischung aus leichter körperlicher Betätigung, verbraten der gestrigen Restnudeln mit Ei und Pesto seitens Pauline und mehrerer Runden Skip-Bo bevor gegen viertel vor zehn alle Mann ins Bett fallen und -wie im elterlichen Falle- der fehlende Schlaf der letzten Nacht nachgeholt wird.
In diesem Sinne: Gute Nacht und bis morgen!